Klima Katastrophe Kapitalismus Ausgabe Nr. 62, 11. Januar 2022
Weltweit steigt der Meeresspiegel, Gletscher schmelzen, extreme Wetterlagen wie Dürre und Fluten nehmen zu, Hitzeperioden belasten Natur und Mensch, Regenwälder werden irreparabel zerstört, das Ökosystem verliert sein Gleichgewicht. Die Auswirkungen des so genannten Klimawandels sind längst nicht mehr abstrakte Schreckgespenster. Die Lebensgrundlage vieler Menschen im globalen Süden wird zerstört, aber auch die Auswirkungen innerhalb der kapitalistischen Zentren lassen sich – trotz entschlossener Versuche – kaum noch leugnen. Die internationale Gemeinschaft scheint das Thema „Klimakrise“ zwischenzeitlich auf alle möglichen Verhandlungstische zu bringen. Kriegen wir die drohende Katastrophe jetzt gemeinsam in den Griff? Die Realität sieht leider anders aus: Die ohnehin nicht sonderlich ambitionierten und eher investitionsstrategisch motivierten Klimaziele werden seit Jahren verfehlt und immer wieder neu angepasst, auf nationaler wie internationaler Ebene scheitert ein Klimaabkommen nach dem anderen. Just nach der Flutkatastrophe, die letzten Sommer viele Menschenleben kostete, vermeldete das Bundesumweltministerium, die Klimaziele für 2030, 2040 und die Klimaneutralität seien nicht zu erreichen. Und der im August 2021 erschienene IPCC-Klimabericht macht deutlich, mit welchen Szenarien wir es in Zukunft zu tun haben werden, aller halbherziger Versuche zum Trotz.
Dass sich das Problem nicht in die Peripherie verlagern lässt, führt jedoch nicht dazu, der Klimakrise energisch entgegenzutreten. Vielmehr wird bereitwillig geglaubt, ein „grüner Kapitalismus“ könne eine Lösung bieten. Klimaschutz in den Industrienationen verbindet sich vorzüglich konsumorientiert mit bürgerlichem Lifestyle, individualisierend mit neoliberalen Mindsets und funktional mit kapitalistischer Suche nach neuen Verwertungsfeldern. Er bleibt Kosmetik und kratzt allenfalls an der Oberfläche des Systems. Nicht in den Blick genommen werden strukturelle Zusammenhänge, soziale Ungleichheiten und vor allem die Bedürfnisse des Kapitals, sich gerade in krisenhaften Zeiten beständig verwerten zu müssen.
Dabei trifft auch die Klimakrise diejenigen am härtesten, die am wenigsten zu ihr beitragen. Während sich Reiche in ihren klimatisierten SUVs bewegen und ihren Tätigkeiten in wohltemperierten Büros und Appartements nachgehen, verlieren andernorts Menschen ihre Lebensgrundlage. Die Zerstörung der Umwelt im globalen Süden für die Kapitalakkumulation auf Kosten der dort lebenden Bevölkerung zeigt die Verschränkung der Klimafrage mit sozialen Belangen und die gesellschaftlichen Widersprüche besonders drastisch. Im systemimmanenten Zwang nach neuen Verwertungsmöglichkeiten kann auf Bedürfnisse von Menschen ebenso wenig Rücksicht genommen werden wie auf solche der Natur.
Doch der Widerstand wird sichtbarer: Fridays for future ist heute die größte soziale Bewegung der Welt, in Deutschland führen Aktivist*innen Waldbesetzungen durch, die Zapatistas aus Mexiko erhalten über ihre lokalen Kämpfe hinaus international Aufmerksamkeit. Angesichts eines bürgerlichen Klimaschutzes kann es aus einer radikal linken Perspektive nicht mehr allein um Sensibilisierung gehen, es braucht eine der Realität entsprechende Dramatisierung der Situation und eine Radikalisierung in der inhaltlichen Auseinandersetzung. Das Ziel muss schließlich die umfassende Transformation weg vom Kapitalismus sein.
Wir fragen mit dieser Ausgabe: Wie müssen linke, antikapitalistische, revolutionäre Positionen zur Klimakrise aussehen, gerade auch in Abgrenzung zum bürgerlichen Umweltschutz? Welche Verschränkungen von Klasse und Klimawandel sind auszumachen? Was bedeutet Klimawandel für globale Armut und die Lebenssituation der unteren Klassen? Welche Möglichkeiten bieten die aktivistischen Gruppierungen lokal wie global, den Kampf gegen Klimawandel nicht mit, sondern gegen die herrschenden Klassen zu führen? Wie kann der Kampf gegen Klimawandel mit anderen Befreiungskämpfen verbunden werden?
In der Ausgabe #63 von kritisch-lesen.de im April 2022 geht es dann gleich um die nächste Krise, die kapitalistische Lebensweisen für uns parat halten: Das Pandemische Zeitalter.
Viel Spaß beim kritischen Lesen!