„Schlagkraft mit gemeinsamer Stoßrichtung“
- Interviewpartner_innen
- Interview mit Lina und Louis vom Antikapitalistischen Klimatreffen München
Im Klimakampf muss der Klassenkampf mitgedacht werden. Was vielerorts als Interessenskonflikt diskutiert wird, ist im Grunde der Kampf gegen das gleiche Problem.
kritisch-lesen.de: Könnt ihr eure Gruppe kurz vorstellen? Warum habt ihr euch gegründet?
LinaWir sind das Antikapitalistische Klimatreffen München, ein offenes Treffen für alle Menschen, die sich gegen den Klimawandel engagieren möchten. Uns war bei unserer Gründung vor ungefähr zweieinhalb Jahren sehr wichtig, die Lücke zwischen Klassenkämpfen und Klimakämpfen zu schließen. Gleichzeitig möchten wir uns theoretisch weiterbilden; sowohl Menschen, die bei uns organisiert sind, als auch die Klimabewegung. Wir wollen Theorie und Praxis vereinen, indem wir beispielsweise Aktionen des sogenannten zivilen Ungehorsams durchführen und unsere Positionen in die Klimabewegung, aber auch in die Linke tragen. Das Antikapitalistische Klimatreffen München machte eine erste Aktion nach einem Klimastreik von Fridays for Future, wo wir uns mit einem antikapitalistischen Block beteiligt hatten, und seitdem machen wir Praxisarbeit in München. Es gibt mittlerweile in neun verschiedenen Städten ein Klimatreffen. Mit denen sind wir gut vernetzt und versuchen, unseren Ansatz auch bundesweit weiterzuentwickeln. Vor allem nach großen Mobilisierungen, wie Klimastreiks, wo wir eigene Blöcke machen oder nach unserer Beteiligung am „Smash IAA“-Bündnis (Bündnis gegen die Internationale Automobilausstellung, kurz IAA, die 2021 in München stattfand, Anm. Red.), hatten wir stetigen Zuwachs. Dadurch werden wir immer handlungsfähiger.
Wie sehen eure Aktionen denn aus?
LouisDas kann sehr unterschiedlich sein. Dadurch, dass wir ein offenes Treffen sind, haben wir natürlich nur begrenzte Möglichkeiten, Risiken einzugehen. Unsere Aktionen reichen vom Organisieren von Demos, über Flyer verteilen vor Betrieben zu Bannern, die im Stadtbild aufgehängt werden oder ähnliches. Wir haben ein relativ breites Spektrum an Aktionsformen, das ist uns wichtig. Und es ist wichtig, immer wieder ein niederschwelliges Angebot zu schaffen, bei diesen Aktionsformen aktiv dabei zu sein.
Ihr habt einführend gesagt, dass es euch wichtig ist, das Thema Klasse und Klassenkämpfe bei Klimafragen mitzudenken. Entsprechend habt ihr euch mit den Kämpfen der Bosch-Beschäftigten solidarisiert. Worum ging es da?
LinaBosch will das Werk in München schließen, um sich grün zu waschen. Es wird behauptet, das Werk sei nicht mehr haltbar, da die dort produzierten Verbrennerteile nicht mit Nachhaltigkeit vereinbar wären. Aber eigentlich will Bosch die Produktion der genau gleichen Teile in Billiglohnländer wie Brasilien oder Tschechien verlagern. Die Forderungen der Kampagne Klimaschutz und Klassenkampf und der Beschäftigten ist eine Konversion des Werkes zur Produktionsstätte von klimafreundlichen und gesellschaftlich nützlichen Produkten statt Autoteilen. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz haben wir dem Unternehmen eine Petition übergeben, die mehr als die Hälfte der Beschäftigten unterzeichnet hatten. Auch eine Demonstration haben wir organisiert.
Und was ist dann passiert?
LinaKlar, die Forderungen wurden nicht erfüllt. Es ist nicht das dabei herausgekommen, was wir wollten. Das haben wir auch nicht so schnell erwartet. Aber wir haben es trotzdem geschafft, ein Symbol zu setzen und sowohl der Klimabewegung als auch den Beschäftigten zu zeigen, dass es möglich ist, gemeinsame Sache zu machen. So etwas hat es noch nie gegeben in Deutschland. Jetzt, da die Schließung immer näher rückt und auch schon die Teilschließung offiziell von der Konzernleitung in Verhandlungen mit dem Betriebsrat vorgeschlagen wurde, gilt es zu schauen, was man für die Beschäftigten akut rausholen kann. Wir bekommen immer noch viele Anfragen für Vorträge, von Zeitungen und Klima-Gruppen. Gruppen, die auch in ihren Städten schauen, ob es vergleichbare Kämpfe gibt.
Es ist eine häufig bemühte Erzählung, dass die Klimarettung mit der ausgebeuteten Klasse nicht zu machen ist, weil sie auf ihrem Rücken stattfindet. Was sind eure Beobachtungen und was wäre eure Entgegnung auf diesen Widerspruch?
LinaUns ist sehr wichtig, zu sagen, dass die Beschäftigten nicht verantwortlich für die Klimakrise sind und die Klimabewegung nicht verantwortlich dafür ist, dass die Beschäftigten ihren Job verlieren. Das ist eine Spaltung, die ganz bewusst von oben gemacht wird, damit keine gemeinsame Schlagkraft entstehen kann. Denn natürlich, wenn sich die Klimabewegung und die Beschäftigten, sei es in Autokonzernen oder in Kohlekonzernen zusammentun, entsteht eine massive Schlagkraft, wirklich Dinge durchzusetzen. Die Spaltung ist also sehr im Interesse des Kapitals, wird sogar aktiv betrieben. Unsere Antwort ist ganz klar: Wir müssen gemeinsam kämpfen und diese Spaltung überwinden, um wirklich handlungsfähig zu sein. Es war bei Bosch unser großes Ziel, zu sagen: Hey, wir müssen uns nicht gegeneinander ausspielen lassen. Wir sind nicht vor das Werk gezogen und haben ihnen gesagt: Ihr seid schuld daran, dass es den Klimawandel gibt. Sondern wir haben sie gefragt: Wollen wir nicht zusammen dafür kämpfen, dass in diesem Werk sinnvollere Sachen produziert werden? Wir haben den Beschäftigten dort zeigen können, dass wir nicht ihr Feind sind. Das haben wir auch beim Flyern vor dem BMW-Werk oder bei der IAA gemacht. Damit haben wir in die Gewerkschaften reingewirkt und gleichzeitig der Klimabewegung gezeigt, dass man Aktionen machen kann, die sich nicht gegen Beschäftigte richten. Das ist unser Kernthema, das wir in allen unseren Aktionen mitdenken.
LouisWichtig ist nicht nur, dass diese extreme Schlagkraft entsteht, sondern dass es eine Schlagkraft mit gemeinsamer Stoßrichtung ist. Die Kraft, die sich da entwickelt, entwickelt sich gegen die Kapitalist:innen, die tagtäglich unsere Klasse ausbeuten. Und die Klimabewegung richtet sich ja auch gegen diejenigen, die im Streben nach Profit eben solche Produktionsverhältnisse schaffen, die Mensch und Natur ausbeuten.
Wenn ihr mit Beschäftigten in den Dialog geht, was wird euch da entgegnet? Schlägt euch viel Skepsis entgegen?
LinaBei Bosch hatten wir supergute Dialoge. Anfangs waren viele ziemlich skeptisch und hatten dieses Bild im Kopf: Wegen denen verlieren wir unseren Job. Das konnten wir schnell auflösen. Wir hatten dann tolle Gespräche mit den Beschäftigten, die eben auch erkannt haben, dass Bosch nicht wirklich Klimaschutz betreiben, sondern reine Profitinteressen durchsetzen und die Produktion nur verlagern möchte. Natürlich besteht dieser Widerspruch einer Transformation im Kapitalismus. Die Transformation hin zu E-Autos bedeutet nämlich tatsächlich, dass Beschäftigte hier ihre Jobs verlieren. Sie hat nicht zur Folge, dass keine Verbrenner mehr produziert werden, sondern die Produktion wird eben in Billiglohnländer verlagert, wie es jetzt bei Bosch der Fall ist. Abgesehen davon, dass E-Autos für das Klima auch nicht eben sinnvoll sind, werden auch noch die Verbrenner weiterproduziert. Und die Produktion von E-Autos benötigt weitaus weniger Menschen als die eines Verbrenners. Diese Jobs gehen verloren durch die Umstellung. So entsteht natürlich Angst. In gemeinsamen Gesprächen können wir wenigstens diese gegenseitige Schuldzuweisung überwinden. Das waren zumindest unsere Erfahrungen bei Bosch.
LouisBei Bosch standen wir wirklich wochenlang fast täglich vor dem Werk. Damit haben wir klar den Eindruck hinterlassen, dass uns die Beschäftigten überhaupt nicht egal sind.
Ihr sagt ja selbst, dass es nicht nur darum geht, aufzuzeigen, wer für die Krise verantwortlich ist. Was entgegnet ihr, wenn die reale Sorge des Jobverlusts formuliert wird, habt ihr Lösungsansätze, die ihr mit den Beschäftigten teilt?
LouisEs ist wichtig, erstmal mittelfristige Perspektiven zu formulieren. Zum Beispiel die 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich zu erklären: Jede Stunde, die kein Auto gebaut wird, ist eine Stunde für den Klimaschutz. Und es ist auch im Interesse der Beschäftigten, sie müssen weniger arbeiten und kriegen genauso viel Geld. Aber es ist natürlich keine endgültige Forderung in einem System, das nach Profit strebt. Mittelfristig ist es etwas, das mit ausreichend Schlagkraft erkämpft werden könnte. Aber es gilt aufzuzeigen, dass das keine langfristige Lösung sein kann. Nicht im Kapitalismus.
Macht ihr die Erfahrung, dass die Leute eine Transformation, eine Alternative zum Kapitalismus für denkbar halten?
LouisEs kommt darauf an, mit wem man diskutiert. In der Klimabewegung ist es schon etwas ganz anderes, weil da die meisten Leute an die Möglichkeit eines Wandels glauben, wie auch immer der aussehen mag. Aber gerade mit den Beschäftigten stand das zum Beispiel bei Bosch noch gar nicht so richtig zur Debatte. Wir können Kämpfe auch nicht von außen herbeireden. Es geht bei der Frage nach Veränderung um die konkrete Erfahrung, im Kampf Dinge bewirken zu können. Diese Erfahrung tatsächlich zu machen, ändert die Perspektive darauf, ob es möglich ist, Alternativen zu Profitwirtschaft und Kapitalismus zu schaffen.
Reden wir nochmal über das Klima: Die Klimakrise ist spürbar gewordene Realität. Trotzdem wurde beispielsweise beim UN-Klimagipfel in Glasgow deutlich, dass die Begrenzung auf 1,5 Grad Erderwärmung definitiv nicht eingehalten werden wird. Warum ist es so schwer zu verstehen, wie katastrophal die Lage ist?
LinaEs geht dabei nicht ums Verstehen. Alle Regierungen und Konzerne wissen von der Klimakrise, das muss man nicht mehr erklären. Das Problem ist, dass wir in einem System leben, das sich an Profitmaximierung der Wenigen orientiert und nicht an Bedürfnissen aller. Das wird schwierig auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen und bei massivem CO2-Ausstoß. Es ist keine Frage von Verständnis und Willen, sondern eine Frage von Möglichkeiten im Kapitalismus. Und im Kapitalismus kann keine wirklich klimagerechte Wirtschaft existieren, weil es immer um Wachstum geht. Die Konzerne werden nicht aufhören, umweltschädlich zu produzieren, weil sie dann nicht mehr genug Profite machen und nicht mehr produzieren können. Und die Regierungen spielen natürlich den Konzernen in die Hände, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Deswegen geht es hinsichtlich der Gesetzeslage so wahnsinnig schleppend voran, was man jetzt auch bei der Klimakonferenz in Glasgow gesehen hat. Da haben sich zwar alle Regierungen zum 1,5 Grad Ziel bekannt, aber alle Beschlüsse sind unverbindlich. Im Endeffekt ist das nichts anderes als eine große Greenwashing-Maßnahme, die vermutlich relativ wenig nach sich ziehen wird. Wir müssen niemandem mehr erklären, dass wir in der Klimakrise leben. Die einzige Möglichkeit, die wir haben, Regierungen dazu zu zwingen, Gesetze zu erlassen und Konzerne zu zwingen, anders zu produzieren, ist der Kampf auf der Straße und in den Betrieben.
Linke wissen ja schon länger, dass mit dem Kapitalismus eine Weltrettung nicht zu machen ist. Wir brauchen also eine Transformation. Wie kann man diese Prozesse anschieben? Habt ihr Auseinandersetzungen darüber, wie ein anderes Wirtschaften zu machen wäre?
LouisMan muss trennen zwischen der Frage, wie eine nachhaltigere Form der Wirtschaft aussieht und der Frage, wie wir dahin kommen. Um eine Nachhaltigkeit zu gewährleisten müsste erstmal das Streben nach Profit ausgesetzt und nach den Bedürfnissen der Gesellschaft gewirtschaftet werden. Das bedeutet wiederum, dass gesellschaftlich über die Produktion entschieden wird, also darüber, was produziert wird und wie viel und auf welche Art. Produktionsentscheidungen müssten gesellschaftlich diskutiert und an den Bedürfnissen der Menschen ausgerrichtet werden und nicht am Profitstreben einiger weniger.
Und solange wir das nicht umgesetzt haben, doch vielleicht der bewusste grüne Konsum?
LinaUns wird immer gesagt, wir müssten Bio kaufen und kein Fleisch essen, dann können wir das Klima retten. Das schiebt die Verantwortung für die Klimakrise auf die Konsument:innen ab und nicht auf die, die wirklich verantwortlich sind. Es sind die großen Konzerne, die entscheiden, dass immer mehr Autos gebaut werden, immer mehr Kohle abgebaut wird. Das sind nicht die Konsument:innen.
LouisSelbst beim privaten Konsum ist die Treibhausgasemission von Superreichen überhaupt nicht vergleichbar mit jener von 90 Prozent der Bevölkerung. Die angebliche Lösung durch Konsum gibt Leuten in dieser krass individualisierten Gesellschaft etwas zu tun, die sich ansonsten organisieren würden.
Ein bisschen nachvollziehbar ist die Suche nach Lösungen im individuellen Konsum ja schon: es gibt einen Drang, etwas zu verändern. Darin zeigt sich eine Alternativlosigkeit, weil es überhaupt keine Idee davon gibt, wie man sich organisieren könnte. Menschen verstehen sich oft als unpolitisch und haben das Gefühl, sie bräuchten gar nicht darüber nachdenken, wie man sich organisieren könnte. Politik machen Politiker:innen. Dann ist man zurückgeworfen auf das eigene Handeln, da spielt der Konsum eine große Rolle, als eine Art individuelle Handlungsermächtigung. Hat die Klimabewegung das Potenzial, die Organisierungs-Trägheit beziehungsweise das Köcheln im eigenen Individualismus zu überwinden?
LinaGenau, viele haben diese Perspektivlosigkeit. Das zu ändern ist unsere Aufgabe. Wir müssen zeigen: Politik bedeutet nicht, im Bundestag zu sitzen, sondern Politik bedeutet, sich zu organisieren, und zwar von unten. Veränderungen können wir nur erkämpfen, wenn wir als Bewegung eine Stärke aufbauen, um unsere Forderungen wirklich durchzusetzen. Wir müssen uns eben kontinuierlich organisieren und Kämpfe austragen. Auf der Straße, in Betrieben. Kämpfe, mit denen wir Druck aufbauen können. Auf die Konsumfrage lassen wir uns überhaupt nicht ein.
LouisGroßen Teilen der Bevölkerung ist klar, dass die Klimakrise ein großes Problem ist und das ist ein Anknüpfungspunkt. Der propagierte Individualismus und reine Konsumkritik sind da schädlich. Leider kommt die Klimabewegung oft wie eine übernatürliche, übermenschliche Ansammlung von Leuten rüber, bei der es schwierig ist, sich anzuschließen. Das zu durchbrechen – unter anderem, indem wir versuchen, von oben geschaffene Spaltungen wie die zwischen Arbeiter:innenbewegung und Klimabewegung aufzubrechen, ist extrem wichtige Arbeit, um einfach auch breitere Teile der Gesellschaft zu aktivieren. Ich glaube, noch geht es ums Aktivieren und danach erst ums Radikalisieren.
LinaNatürlich ist es auch möglich, bei Aktionen den Leuten zu zeigen, auf wessen Seite der Staat steht. Beispielsweise die IAA sehr vielen Leuten gezeigt, wessen Interessen der Staat verteidigt und wessen nicht. Solche großen Events sind damit auch immer ein Fixpunkt der Radikalisierung.
Die Klimabewegung ist sehr divers. Ist das eine Stärke, weil so mehr Leute abgeholt werden oder ist das eher das Einfallstor dafür, dass die Inhalte verwässert werden?
LinaWenn eine Bewegung sich in vielen Fragen überhaupt nicht einig ist, hat sie keine Schlagkraft. Wenn man sich über die grundlegendsten Sachen zerstreitet und keine gemeinsamen Ziele und Strategien teilt, dann ist man nicht fähig, wirkliche Veränderungen durchzusetzen und Kämpfe auszufechten. Deswegen ist unsere Position schon, dass wir uns inhaltlich aneinander angleichen müssen. Wir haben unterschiedliche Erfahrungen und Positionen. Das ist auch in Ordnung, aber das muss man ausdiskutieren, um auf einen sinnvollen Weg zu kommen und gemeinsame Positionen auszuarbeiten. Ich glaube, es ist keine Stärke, dass wir so pluralistisch sind in der Klimabewegung.
Es gibt viele verschiedene Kampagnen und Aktionsformen beispielsweise Enteignungskampagnen, Besetzungen, Blockaden. Teile der Klimabewegung beziehen sich auf zivilen Ungehorsam. Wie ist eure Position dazu?
LinaWir sind solidarisch mit allen Aktionsformen, die sich gegen die Eigentümer:innen der Konzerne beziehungsweise die Verantwortlichen der Klimakrise richten. Und natürlich brauchen wir militante Aktionen und Aktionen des zivilen Ungehorsams. Es zeigt sich immer wieder, dass Demonstrationen in diesem System alleine relativ wenig Schlagkraft haben und wenig verändern. Das heißt nicht, dass sie nicht sinnvoll sind. Aber natürlich braucht es auch weitergehende Aktionen. Es ist sicherlich sinnvoll, wenn ein Kohlekraftwerk für mehrere Stunden oder Tage stillsteht. Das ist einerseits auf ganz konkrete Weise gut fürs Klima aber eben auch eine Ansage und ein Symbol. Es gibt viele verschiedene Aktionsformen, an manchen würden wir uns beteiligen, an anderen nicht. Aber die Debatte friedlicher versus militanter Widerstand führen wir nicht. Das ist eine Teilung, die diskursiv gemacht wird, um die Klimabewegung zu spalten. Da werden friedlich und militant gegeneinander ausgespielt. Wir sind eine Bewegung und wenn die Aktionen sich gegen die Richtigen richten, dann sind wir auch solidarisch damit.
Was erwartet ihr in Sachen Klimapolitik von der neuen Bundesregierung?
LouisDe facto erwarte ich nichts in Sachen Klimaschutz. Was ich erwarte, ist, was aus dem Koalitionsvertrag hervorgeht: Die Ampelkoalition möchte Unternehmen bei der notwendigen Transformation unterstützen, was bedeutet, dass die Klimakrise, ebenso wie die wirtschaftliche Krise weiterhin auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung ausgetragen werden soll – ohne dass Krisen-Maßnahmen eingeleitet würden, die tatsächlich helfen. Das bedeutet permanentes Greenwashing, um das eigene Image zu stärken.
LinaEin Problem ist, dass die Grünen mitregieren. Viele sehen das als Möglichkeit der Veränderung. Bei den Grünen ist die Diskrepanz zwischen dem, was sie sagen und dem, was sie politisch ausführen, extrem groß. Ihre Politik ist arbeiten:innenfeindlich. Zum Beispiel ihre Befürwortung der Bahnprivatisierung. Es ist als Klimabewegung wichtig zu sagen: Die Grünen stehen nicht auf unserer Seite. Sie sind kein Teil der Klimabewegung. Sie sind eine Gefahr für die Klimabewegung. Und Klimapolitik wird mit der Ampelkoalition weiterhin ein Klassenkampf von oben sein.
Richten wir den Blick mal auf andere Klimakämpfe dieser Welt. Nehmt ihr euch ein Beispiel an der Praxis anderer Kämpfe auf dem Globus? Kennt ihr Beispiele von Kämpfen aus anderen Weltregionen, die ein Vorbild sein könnten?
LouisEs gibt Regionen der Welt, in denen werden ökosozialistische Systeme aufgebaut, zum Beispiel in Rojava. Aber ich glaube, es ist gefährlich, das einfach adaptieren zu wollen. Wir können nicht einfach den Kampf, den die Kurd:innen führen, übernehmen. Die Situation in Rojava lässt sich nicht einfach übertragen. Bestimmte Situationen erfordern spezielle Herangehensweisen. Wir sind nicht an dem Punkt, dass wir uns bewaffnet irgendwo hinstellen. Deswegen kann eine Strategie nicht grundsätzlich kopiert werden. Wir stehen ganz am Anfang eines Lernprozesses und arbeiten erfolgreich an einer deutschlandweiten Vernetzung. Aber internationalistisch betrachtet stehen wir noch ganz am Anfang. Das muss sich langfristig auf jeden Fall ändern.
LinaNatürlich sind wir solidarisch mit allen fortschrittlichen Kämpfen weltweit. Was wir auch sehen müssen ist, dass wir in einem imperialistischen Zentrum leben. In Deutschland sitzen die Konzerne, die Waffen in die ganze Welt exportieren, Autos überall produzieren lassen, Kohle abbaggern, Menschen in anderen Ländern ausbeuten und dort die Umwelt zerstören. Wenn wir wirklich international helfen und handeln wollen, müssen wir dafür sorgen, dass diese Konzerne nicht mehr auf diese Weise produzieren können. Die schöne Parole „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ trifft einfach zu. Und parallel zu den Kämpfen hier braucht es bestenfalls natürlich eine Vernetzung mit Bewegungen weltweit.
Habt ihr noch eine schöne Anekdote aus eurer Praxis, die hoffnungsvoll stimmt?
LinaDie Proteste gegen die IAA in München haben für mich gezeigt, dass wir mittlerweile eine große Bewegung sind. Wir waren an den „Smash IAA“-Aktionen beteiligt, die vor dem Boschwerk zwei spontane Solidaritätsaktionen gemacht und den Open Space von Bosch bei der IAA blockiert haben. Das war mal eine Aktion, die wirklich eingeschlagen hat in der Klimabewegung und auch außerhalb. Und dabei gezeigt hat, dass die Klimabewegung an der Seite der Beschäftigten steht. Wir waren zwar mit massivem Polizeiaufgebot und Repression konfrontiert, konnten dennoch unsere Aktionen durchführen und sind handlungsfähig geblieben. Das war schon ein Moment, der ziemlich bekräftigend war. Die Vernetzung mit der bundesweiten Klimabewegung auf dem IAA-Camp war auch sehr eindrucksvoll. Die Bewegung breitet sich aus und wir können gemeinsam Inhalte entwickeln. Durch diese bundesweite Vernetzung können wir uns gegenseitig zeigen, wie es funktionieren kann, an der Seite der Beschäftigten zu stehen und sich mit ihnen zu organisieren. Ich glaube, das ist unsere Möglichkeit, unsere Inhalte in die große, pluralistische Klimabewegung hineinzutragen und mit den Leuten aus ganz verschiedenen Kontexten zu diskutieren.
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Das Interview führte Andrea Strübe.