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Feministische Kampfansagen Ausgabe Nr. 56, 14. Juli 2020

Feministische Kampfansagen © Anirban Bhattacharya

Wo immer sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten rechte Projekte und faschistische Politiken ihren Raum nahmen, ging dies mit einer Zunahme an antifeministischen Gesetzgebungen, patriarchaler und misogyner Gewalt und Abwertung von Frauen* in allen Lebensbereichen einher. Antifeminismus und autoritäre Staatlichkeit bedingen und stärken sich. Sichtbar wurde dies etwa an der zentralen Rolle, die das Thema Gender und Familienpolitiken beim Aufstieg der AfD in Deutschland, aber auch bei anderen konservativen bis autoritären Projekten in Europa und darüber hinaus spielte. Der Widerstand gegen rechts ist also notwendig auch ein feministischer.

Oft wurden die Kämpfe um ein besseres Leben als Frau* und Arbeiterin* mit antikapitalistischen, klassenkämpferischen Bandagen ausgefochten: Vom monatelangen Streik der Textilarbeiterinnen in Crimmitschau Anfang des 20. Jahrhunderts, über die Streiks der migrantischen Arbeiterinnen bei Pierburg-Neuss und anderswo im Streikjahr 1973 bis zu den unzähligen feministischen Streiks der letzten Jahre in lateinamerikanischen Ländern von Argentinien bis Mexiko: Die Arbeitsbedingungen und die Abwertung von bestimmten Arbeitsfeldern als „Frauenarbeit“ sind zentraler Motor der Widerstände. Ebenso geht es um spezifische patriarchale Strukturen in der Gesellschaft, die autoritäre und rechte Politiken stützen und stärken. Ein Zusammenspiel, das systematisch heruntergespielt und unsichtbar gemacht wird.

Die Performance „Un violador en tu camino“ („Ein Vergewaltiger auf deinem Weg“) von der chilenischen Gruppe Las Tesis, die beim Internationalen Frauen*kampftag bei keiner Demonstration fehlen durfte, prangert nicht nur Gewalt gegen Frauen* an, sondern benennt auch klar die Mittäterschaft des Staates. Der Titel spielt auf das Motto der chilenischen Polizei in den 1980er-Jahren an: „Ein Freund auf deinem Weg“ – in der Interpretation der chilenischen Feministinnen* ein vermeintlicher „Freund“, der systematisch Gewalt an Frauen* begeht. Polizei, Gerichte und der Staat haben Mitschuld an antifeministischem Hass, an Femiziden und gewaltsamem Verschwindenlassen. Das kapitalistische Gesellschaftssystem profitiert von dieser Abwertung. Wie können wir diese vermeintliche Normalität kritisieren, welche Frauen*leben weltweit gefährdet und eine autoritäre und toxische Form von Männlichkeit legitimiert? Wie genau greifen Antifeminismus und Faschismus ineinander? Diese Ausgabe greift auf, wie prekär und gewaltvoll das Leben von Frauen und nicht-Männern sich nach wie vor gestaltet, aber auch wie vehement der Widerstand gegen diese Gewalt Präsenz zeigt.

Feministinnen* auf den Straßen weltweit haben recht, wenn sie sagen, die Herrschenden haben Angst vor ihnen, stellen sie doch ihren kraftvollen Demonstrationen Sondereinheiten entgegen – etwa die „Grupo Atenea“ der Polizei in Mexiko – oder beschießen die Teilnehmerinnen* mit Tränengas und Gummigeschossen, wie in der Türkei, im Sudan, in Brasilien oder in Indien. Dass die feministischen Kämpfe dennoch jedes Jahr stärker werden und sich die Akteurinnen* auch weltweit vernetzen und gemeinsame Forderungen stellen, daran konnte die zunehmende Repression nichts ändern. Wir fragen uns: Wie können wir die Kontinuität von feministischen Kämpfen gegen autoritäre Verhältnisse sichtbar machen? Und vor allem: Was können wir aus der Solidarität der prekarisierten Frauen*, insbesondere in der Peripherie, auch für hiesige Kämpfe gegen den zunehmend autoritär agierenden Neoliberalismus lernen?

In der Ausgabe #57 im Oktober 2020 kümmern wir uns um ein altes, aber derzeit sehr agiles Phänomen: Verschwörungsmythen. Wie können wir diesen als Linke entgegentreten, ohne selbst zu Verfechter*innen des Status quo zu werden?

Viel Spaß beim kritischen Lesen!

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