Rassismus und Feminismus in den USA
- Buchautor_innen
- Angela Davis
- Buchtitel
- Rassismus und Sexismus
- Buchuntertitel
- Schwarze Frauen und Klassenkampf in den USA
Angela Davis zeichnet mit Bezugnahme auf historische Originalschriften und Reden die Geschichte Schwarzer Frauen in den USA sowie die Zusammenhänge von feministischen Kämpfen und der Rolle Schwarzer Frauen in den 1980er Jahren nach.
Zunächst geht Davis im Kapitel „Das Erbe der Sklaverei“ auf die Besonderheit der Unterdrückung Schwarzer Sklavinnen ein. Diese lag darin, dass sie unterdrückt, misshandelt und vergewaltigt wurden, um die ökonomische Ausbeutung ihrer Arbeitskraft weiterhin durchzusetzen. Entgegen der – häufig vom rassistischen Stereotyp der „Mommy“ begleiteten – These, dass Schwarze Familien während der Sklaverei matriarchal geführt wurden, beleuchtet Davis die Wichtigkeit der Familie und des gleichberechtigten Umgangs zwischen den Geschlechtern in dieser. Sie argumentiert, dass dadurch versucht wurde, eine Umgebung menschlich zu gestalten, welche Sklav_innen zu einer Gruppe nicht-menschlicher Arbeitseinheiten machte.
Davis beschäftigt sich mit den Anfängen der Frauenrechtsbewegungen und den Suffragetten. Gerade die anfängliche Frauenrechtsbewegung weißer Mittelstandsfrauen war stark mit der Abolitionisten-Bewegung gegen die Sklaverei und für das Wahlrecht Schwarzer Menschen verbunden. Zwar wurde das Verbot der Sklaverei 1863 eingeführt, doch dauerte es noch bis 1965, bevor das uneingeschränkte Wahlrecht für Schwarze US-Amerikaner eingeführt wurde. Wie Davis ausführt, lernten „weisse [sic] Frauen eine Menge über die Natur der Unterdrückung von Menschen“ (S. 42) durch ihre Arbeit in der abolitionistischen Bewegung. Das Verständnis von Unterdrückung – und so auch von der eigenen gesellschaftlichen Positionierung – resultierte in der Konferenz von Seneca Falls 1848, welche die erste Konferenz für Frauenrechte in den damaligen Staaten war. Allerdings, so Davis, zeigt sich in den Dokumenten, dass sich keine einzige Schwarze Frau unter den Teilnehmern fand, und auch die Anerkennung weißer Arbeiterinnen sehr gering war.
Die Enttäuschung darüber, dass die Abschaffung der Sklaverei nicht auch zu einem Wahlrecht für Frauen führte, mündete in unverhohlen rassistischen und industriekapitalistischen Denkweisen bei den weißen Frauenrechtlerinnen. Während gerade für Schwarze Männer das Eintreten für das Wahlrecht einen Kampf um das Überleben darstellte, wie der hohe Anteil an Lynchmorden und Angriffen durch Straßenmobs demonstrierte, war das Eintreten weißer Männer und Frauen für das Frauenwahlrecht häufig mit der Vorstellung der Überlegenheit der weißen Rasse verbunden. Sexismus und Rassismus fielen auch in Bezug auf Arbeitsbedingungen – gerade bei Dienstboten- und Haushaltstätigkeiten – häufig zusammen, denn die Arbeitsbedingungen weißer Frauen waren oft abhängig von der unterdrückten Lage Schwarzer Frauen, da diese sich am Boden kapitalistischer Ausbeutung befanden.
Zwischen Solidarität und Ignoranz
Solidarität in der Zusammenarbeit mit Schwarzen Frauen zeigte sich vor allem im Bereich der Bildung und dem Kampf gegen Analphabetismus in den damaligen Südstaaten. Weiße Frauen wie Prudence Candall, Margaret Douglass und Myrtilla Miner setzten sich trotz der Gefahr, die davon ausging, für die Bildung Schwarzer Kinder und Jugendlicher ein. Wie Davis anmerkt, war die Solidarität dieser Frauen eng verbunden mit dem Wissen, wie wichtig gerade für Schwarze Frauen Bildung im kollektiven Kampf um Freiheit ist.
Trotz dieser bemerkenswerten Frauen schätzt Davis die Suffragetten-Bewegung, getragen von bürgerlichen Frauen, als rassistisch und in ihrem Bezug auf Mutterschaft als sexistisch ein. Dieses Vordenken innerhalb frühfeministischer Organisierung zeigt sich auch in den gegen Ende des letzten Jahrhunderts erstarkenden Frauenclubs, welche nur in Ausnahmen auch Schwarze Frauen aufnahmen. Die erstarkende Schwarze Mittelklasse begann, sich unter der Führung von politischen Vorkämpferinnen wie Ida B. Wells und Mary Church Terrell eigenständig zu organisieren und Kampagnen gegen Lynchmorde zu führen, wobei sie „weniger durch Nächstenliebe oder moralische Prinzipien motiviert [waren], als durch die hautnahen Bedürfnisse ihres Volkes im Überlebenskampf“ (S. 124).
Auch in Bezug auf Arbeitskämpfe waren Antirassismus und der Kampf für Geschlechtergleichheit keine Selbstverständlichkeiten. Hierbei waren Schwarze Organisationen wie die National Coloured Labour Union (NCLU) ernsthafter um die Rechte der Arbeiterinnen bemüht als ihre weißen Vergleichsorganisationen, während die Organisation weißer Arbeiterinnen durch Susan B. Anthony die Unterdrückung der Frauen als das zentrale Unterdrückungsmoment sah und so auch Frauen als Streikbrecherinnen gegen ihre männlichen Kollegen vorgingen. Hier zeigt sich, dass der weiße Klassenkampf nicht zwangsläufig auch an frühfeministischen Ideen orientiert war, und umgekehrt. Je nachdem, welches Unterdrückungsverhältnis als strukturtragend gesehen wurde, wurde der Fokus auf dieses gelegt.
Ein eigenes Kapitel widmet Davis den Kommunistinnen und ihrem Kampf für das Frauenwahlrecht und gegen Rassismus. Sie zeigt klar die Relevanz feministischer Ideen in Verbindung mit einer marxistischen Analyse der Verhältnisse auf. Hierbei betont sie die Wichtigkeit der Industrial Workers of the World (IWW) und der Rolle von Frauen wie Lucy Parsons, Ella Reeve Bloor, Anita Whitney, Elizabeth Gurley Flynn und Claudia Jones als Agitatorinnen. Claudia Jones, eine Einwanderin aus Trinidad, setzte sich dabei stark für die Rechte der Hausbediensteten ein und kommt in ihren politischen Analysen zu dem Schluss, dass die ökonomische Beziehung zwischen Schwarzen und weißen Frauen chauvinistisches Verhalten befördert und deswegen Kommunistinnen weißen Chauvinismus bekämpfen müssen (S. 162). Hier zeigt sich, dass für Frauen wie Claudia Jones Klassenunterdrückung und der Kampf für die Gleichberechtigung von Frauen und Schwarzen gemeinsam verhandelt wurde.
Feministische Themen und Marxistische Analysen
Der letzte Abschnitt des Buches geht auf drei zentrale, für feministische Politik relevante Themenfelder ein – Vergewaltigung, Geburtenkontrolle und Hausarbeit. Hierbei legt Davis schonungslos den Rassismus und Klassismus in feministischer Literatur und Bewegung offen – beispielsweise im Vorgehen gegen Lynchmorde, bei welchen der Mythos des Schwarzen Mannes als Vergewaltiger konstruiert wurde, wobei dieses Bild auch heute noch wirkmächtig ist. Davis argumentiert, dass Lynchmorde zur Vorherrschaft weißer Macht eingesetzt wurden, und dass die Konstruktion des Schwarzen Mannes als Vergewaltigers als Rechtfertigung für diese Vorherrschaft in weisser feministischer Literatur diente. Sie hebt hervor, dass „die Charakterisierung des schwarzen Mannes als Vergewaltiger die offene Aufforderung des Rassismus an weiße Männer verstärkt, sich selbst der Körper schwarzer Frauen geschlechtlich zu bedienen“ (S. 175). Die Brisanz dieses rassistischen Zirkelschlusses ist offensichtlich: Denn der Mythos des Schwarzen Mannes als Vergewaltiger legitimiert gewissermaßen die Vergewaltigung Schwarzer Frauen durch weiße Männer.
Das Zusammenspiel von Rassismus und Klassismus zeigt sich auch im Kampf für „freiwillige Mutterschaft“ und dem Kampf für das Recht auf Abtreibung, welcher häufig völlig außer Acht ließ, dass für Schwarze und migrantische Frauen Sterilisationsmissbrauch und ungewollte Sterilisation ebenso wichtige Themen waren wie Schwangerschaftsunterbrechungen. Erschreckend sind hierbei die Zahlen, die Davis anführt: So sind 1970 laut einer Studie zwanzig Prozent der Schwarzen verheirateten Frauen auf Dauer sterilisiert worden.
Im Anschluss an den allgemeineren historischen Abriss, zeigt sich im letzten Kapitel zur Analyse der Hausarbeit klar Davis Positionierung als Marxistin. Hier geht sie darauf ein, dass die Industrialisierung zur strukturellen Trennung zwischen auf Hauswirtschaft ausgelegter Ökonomie und der profitorientierten Ökonomie des Kapitalismus führte und so zur Trennung zwischen Haushalt und Arbeitsplatz. Dies zog nach sich, dass − obwohl das Bild der „Hausfrau“ durch den Mittelstand geprägt war – die Position von Frauen als Hausfrau und Mutter zum allgemeingültigen Modell von Weiblichkeit erhoben wurde (S. 218). Davis sieht die Befreiung der Frau vom Haushalt durch den Zugang zum Arbeitsmarkt gegeben:
„Es mag durchaus wahr sein, daß ‚die Sklaverei am Fliessband‘ noch nicht selbst ‚die Befreiung von der Sklaverei am Küchenherd‘ ist, aber das Fließband ist zweifellos der stärkste Antrieb für die Frauen, auf die Eliminierung ihrer uralten häuslichen Sklaverei zu dringen“ (S. 232).
In dieser Analyse bezieht sie sich sowohl auf Lenins als auch auf Engels Schriften zur Hausarbeit und spricht vor diesem Hintergrund der Gleichberechtigung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt und subventionierter Kinderbetreuung auch revolutionäres Potential zu. Hierbei ist festzuhalten, dass das Buch 1982 veröffentlicht wurde und aktuelle Debatten um Flexibilisierung und Neoliberalismus keine Beachtung finden konnten. Ich würde jedoch ihrer Einschätzung des „revolutionären Potential“ (S. 232) widersprechen und die These aufstellen, dass eine „gleichberechtigtere“ Arbeitsmarktpolitik nicht zum Sozialismus führt, wie Davis in ihrem letzten Absatz äußert, sondern nur zu mehr Arbeitskraft, die genutzt werden kann.
Trotz dieser Kritik sehe ich das Buch als sehr empfehlenswert und beeindruckend in seinem historischen Detailreichtum an, gerade um unterschiedliche Debatten innerhalb der Bürger- und Frauenrechtsbewegung nachvollziehen zu können und einen Einblick in die Rolle Schwarzer Frauen in den USA zu erhalten. Auch zeigt die Gegenüberstellung der frühfeministischen Frauenrechtsbewegungen und der Frauenbewegung der 1970er und 1980er Jahre, dass diese auch in Bezug auf rassistische und klassistische Diskurse durchaus gefährliche Gemeinsamkeiten aufweisen.
Rassismus und Sexismus. Schwarze Frauen und Klassenkampf in den USA.
Elefanten Press, Berlin.
ISBN: 978-3885200932.
256 Seiten.