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Repression und Überwachung Ausgabe Nr. 42, 03. Januar 2017

Repression und Überwachung © Public domain

Das Räderwerk der deutschen Sicherheitsorgane läuft auf Hochtouren. Räumungen und Hausdurchsuchungen in der Rigaer oder der Skalitzer Straße in Berlin, in der Hafenstraße in Hamburg und anderen Orten, verdeckte Ermittlungen in linken Gruppen, Strafverfolgung und Inhaftierung von Aktivist_innen wie zum Beispiel Ali, Cem, Balu, Aaron oder Thunfisch, die Durchsetzung des PKK-Verbots im Rahmen der „Terrorismusbekämpfung“ und so weiter und so fort. Darüber hinaus noch „Flüchtlingsströme dämmen“, die öffentliche Ordnung wahren (etwa durch die Vertreibung von nicht erwünschten Personen – Refugees, Wohnungslose, Erwerbslose – von prestigeträchtigen Plätzen) und ein möglichst umfassendes Überwachungssystem etablieren. Für Linke sind Repression und Überwachung nichts Neues. Die Kriminalisierung unserer Proteste und Strukturen gehört zum Alltag. Dennoch haben sich die Formen im Laufe der letzten Jahrzehnte stark verändert. Während beispielsweise im heißen Herbst '77 staatliche Repression noch sehr brachial und sichtbar war, haben wir es nun oftmals mit subtileren Methoden zu tun – und zwar auf politischer, gesellschaftlicher und technischer Ebene gleichermaßen. In dieser Ausgabe beschäftigen wir uns mit Dimensionen und Mechanismen von Überwachung und Repression und fragen danach, wie der Kontrolle und gewaltsamen Zurückdrängung durch den Staat heute begegnet werden kann.

Tragendes Element ist zunächst der immer offensiver vertretene Sicherheitsdiskurs. Kontrolle und Sicherheit werden als notwendige Schlüssel präsentiert, mit denen das Unheil der scheinbar allgegenwärtigen Gefahren eingedämmt werden kann. Die Methoden werden kaum hinterfragt – genauso wenig wie die Feindbilder. Hauptsache die öffentliche Ordnung bleibt bestehen. Dabei geben Organe des Rechtsstaats vor, objektive Instanzen zu sein, die die Bürger_innen gleichermaßen vor den immer (wieder) präsenten Gefahren schützt. Diese Gefahren liegen oft und nicht zufällig in einem diffusen „Außen" ‒ die rassistische, wohlstandschauvinistische Feindbildproduktion hat Konjunktur. Mit dieser scheinbaren Unausweichlichkeit wird auch Repression als probates Mittel der Gefahrenabwehr gerechtfertigt.

Eine Methode dieser Repression ist die Überwachung. In technischer Hinsicht hat die digitale Revolution diese zu einem Kinderspiel gemacht und ist für Betroffene gleichzeitig kaum mehr zu durchblicken. Die Omnipräsenz von Überwachung durch Kameras, durch Drohnennutzung und Datenspeicherung et cetera bleibt dem Mensch oft verborgen. Gleichzeitig hat sich das Phänomen auch normalisiert: Der Aussage, wer nichts zu verbergen habe, habe von Überwachung nichts zu befürchten, wird oft zugestimmt. Mehr noch: Die Rufe nach zusätzlicher Kontrolle werden immer lauter. Pläne zur Komplettüberwachung von öffentlichen Plätzen erfahren hohe Zustimmung. Die Datenspeicherung und Ortung von Personen online nimmt zu. Immer wieder wird über Einsätze der Bundeswehr im Innern diskutiert, regelmäßig kooperieren Armee und Polizei und Soldat_innen unterstützen dauerhaft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bei der Registrieung von Geflüchteten. Grenzen werden wieder dichtgemacht. Private Sicherheitsfirmen machen mit dem Geschäft Repression gutes Geld. Gefängnisse werden an Privatinvestoren übertragen, denen der Staat die angeblichen horrenden Betriebskosten fraglos überweist – während nach US-Vorbild Pläne dafür gemacht werden, die Haftanstalten in moderne Produktionsstätten nach Feudalprinzip umzuwandeln.

Vor diesem Hintergrund sind Strukturen von Gegenwehr und Solidarität besonders wichtig. Der Kriminalisierung und Verfolgung durch die Sicherheitsorgane heißt es, gemeinsam und organisiert entgegen zu treten. Unser Interview mit Michael Csaszkoczy von der Roten Hilfe sowie das Essay von Aktivist Sadiem Youssef zeigen dafür mögliche Anknüpfungspunkte auf.

Viel Spaß beim kritischen Lesen!

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