Schluss mit den schlechten Beziehungen!
- Buchautor_innen
- Gunda Windmüller
- Buchtitel
- Weiblich, ledig, glücklich – sucht nicht
- Buchuntertitel
- Eine Streitschrift
Warum es die einzig wahre Liebe nicht gibt: ein Plädoyer für das Leben als Single.
Es gibt ein paar Wahrheiten, die man sich selbst nicht eingestehen kann. Weil sie so eng mit Klischees verknüpft und vielleicht nicht mit unserem Selbstbild vereinbar sind. Gunda Windmüller hat einige von ihnen in ihrem Buch „Weiblich, ledig, glücklich – sucht nicht“ gesammelt, die vor allem auf hetero-cis-Frauen zutreffen – also auf heterosexuelle Frauen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei Geburt zugewiesen wurde. „Für Frauen ist die Liebe ein zentrales Kriterium des Selbstwerts. Fehlt die Liebe, leidet das Selbst; der Selbstwert bröckelt, die Identität schwankt“ (S. 92). Man weiß, dass diese Wahrheit stimmt, weil man Frauen kennt, auf die sie zutrifft. Und sich vielleicht auch selbst nicht davon freimachen kann.
Identität durch Liebe
Um solche Wahrheiten aushalten zu können, muss man sich genauer anschauen, woher sie kommen. Gunda Windmüller tut das, indem sie sich zwei Themenbereichen widmet, die in unserer Gesellschaft von Vorurteilen und Emotionen durchtränkt sind: Die romantische Liebe und die klassische Zweierbeziehung. Um das zu tun, arbeitet sie sich beispielhaft an Bridget Jones als stigmatisierter Single-Frau ab und zitiert aus „Sex and the City“, um zu zeigen, wie vermeintlich emanzipierte Singles am Ende doch wieder an gesellschaftlichen Ansprüchen scheitern müssen. Diesen Figuren stellt sie wiederum einen historischen Abriss über die Entwicklung der romantischen Liebe und der Zweierbeziehung gegenüber und macht so deutlich, dass beide keineswegs schon immer zusammengehörten. Ganz im Gegenteil: Entlang von Theoretiker*innen wie Ulrich Beck führt Windmüller uns durch Individualisierungsprozesse im 18. und 19. Jahrhundert, um aufzuzeigen, dass die Menschen heute im Gegensatz zu früher Identitätskrisen bewältigen müssten, weil ihnen ein höheres Gestaltungspotenzial zur Verfügung stehe: Um die Identität, die ein Mensch sich selbst schafft, zu festigen, brauchen wir andere, die uns Selbstbild und -wert bestätigen. Für cis Frauen sei dabei gerade die Anerkennung durch Männer zentral, weil sie historisch gelernt hätten, dass sich ihr eigener Wert immer nur im Bezug zu einem männlichen Gegenüber entfalten könne.
Im Buchteil „Der Liebesmarkt“ zeigt Windmüller dann auf, dass sich die mit der Suche nach Selbstvalidierung verbundene „Optimierungssucht“ (S. 81) nun auf die Liebe ausgeweitet hätte. Eine Gruppe, die in diesem Konkurrenzkampf zwangsläufig immer zu kurz käme, seien die hetero-Single-Frauen, weil gesellschaftliche Normen sie in unüberwindbare Widersprüchlichkeiten zwängen: „Fest steht: Wir können nicht gewinnen.“ (S. 100) Daher plädiert Windmüller dafür, dasss wir gar nicht erst mitspielen und uns stattdessen dem Liebesmarkt entziehen.
Das Single-Dasein als bessere Alternative?
Doch das ist nicht so leicht. Denn das Single-Sein von hetero-Frauen sei über und über mit misogynen Klischees behaftet, die sie einschränkten und bevormundeten: „Single-Frauen dürfen ihre Geschichte nicht selbst erzählen“ (S. 13). Und sie hätten keine Vorbilder, an denen sie sich orientieren könnten. So würde ein prominenter Mann, der single wird, häufig als jemand dargestellt, der seine Freiheit genießt. Frauen hingegen würden nach einer Trennung als bedürftg und gescheitert wahrgenommen. Um dieses Phänomen zu benennen, führt Windmüller sodann den Begriff des „Single Shamings“ (S. 139) ein. Dabei zeigen gerade die von ihr genannten Beispiele, dass es genau das nicht ist: Es ist kein Single Shaming, es ist ein female Single Shaming. Und es ist wichtig, das zu unterscheiden, um den Sexismus sichtbar zu machen, der hier zum Tragen kommt – ein Begriff, der im Buch leider nur wenig Beachtung findet.
Nach all den erschütternden Wahrheiten über die Abwertung von Single-Frauen überrascht es ein wenig, wie oft Windmüller betont, dass sie die Zweierbeziehung nicht abschaffen, sondern reformieren und zeigen möchte, „dass es immer eine gleichwertige Alternative ist, wenn man nicht in einer solchen Beziehung steckt“ (S. 117). Keine sonderlich radikale Forderung für eine Streitschrift, die das Buch dem Titel nach ist. Dabei ist man an diesem Punkt bereits wütend und wünscht sich eigentlich eine kleine Revolution – zumindest aber etwas mehr als „eine gleichwertige Alternative“ zur romantischen Zweierbeziehung, die offensichtlich allzu oft verdammt enttäuschend ist.
Beziehungen queeren
Welchen Selbstwert hat das Single-Dasein also? Eine Antwort auf diese Frage möchte Windmüller im Kapitel über Freundschaften geben und hier „zeigen, wie elementar Freundschaften für unser Leben sind. Auch und besonders für Single-Frauen“ (S. 222). Das ist ein wichtiger Ansatz, der jedoch nur knapp 14 von gut 260 Seiten des Buches einnimmt, und dabei so gut wie keine konkreten Beispiele für gelebte alternative Lebensmodelle zur monogamen hetero-Beziehung liefert. Um diese Alternativen darlegen zu können, wäre es wichtig gewesen, beim Single-Shaming noch genauer hinzuschauen: Die Abwertung des Single-Seins ist real, sie betrifft hetero-Frauen, aber sie geht eben auch Hand in Hand mit vielen anderen Abwertungen, die Menschen mit sexuellen Identitäten außerhalb der Norm erfahren. Windmüller nimmt diese Tatsache wahr, benennt sie aber immer nur indirekt:
„Diese anstrengende Geschichte von Ehe und Liebe betone ich so, weil alles mit allem zusammenhängt. Weil „weiblich, ledig, glücklich“ so quer zu dieser Entwicklung steht, wie es nur sein kann. Wer quer steht, als quer wahrgenommen wird, muss verstehen, woher das alles kommt. [...] Die romantische, feste, exklusive, heterosexuelle Partnerschaft ist nicht von der Natur vorgegeben.“ (S. 40 f.)
Es ist interessant und sicher kein Zufall, dass Windmüller hier den Begriff „quer“ wählt – aber im Buch an keiner Stelle einen expliziten Bezug zum rückangeeigneten Begriff „queer“ herstellt, der auf deutsch so viel wie „sonderbar“ bedeutet und in der Vergangenheit benutzt wurde, um abwertend über Homosexuelle und andere Personen zu sprechen, deren geschlechtliche Identität oder sexuelle Orientierung von der Norm abweicht.
Denn viele der Fragen, die Windmüller in ihrem Buch aufwirft, spielen auch in queeren Debatten eine wichtige Rolle. Ein Beispiel: In einem ganzen Kapitel ihres Buches widmet Windmüller sich dem Kinderkriegen als vermeintliche Voraussetzung für ein wirklich erfülltes Leben als Frau. In diesem Zusammenhang fragt sie: „Können sich Nicht-Mütter überhaupt als Frau wahrnehmen?“ (S. 151f.) Die Frage danach, was eigentlich Weiblichkeit ausmacht und welche Rolle Mutterschaft dabei zukommt, spielt häufig auch im Leben von trans Personen oder Menschen in homosexuellen Beziehungen eine wichtige Rolle.
Es ist wichtig, an diesen Stellen Gemeinsamkeiten aufzudecken, weil sie empowern können; den Blick weiten und damit den Spielraum öffnen für einen gemeinsamen Widerstand gegen diese kollektiv erfahrenen Abwertungen. Denn gerade romantische Liebe und klassische Zweierbeziehung werden insbesondere von marginalisierten Menschen zum Teil schon lange anders gedacht und gelebt, weil sie ihnen nicht gerecht werden können und wollen. Diese Beispiele können Mut machen und Hoffnung geben. Und das sind zwei Dinge, die es bei all den schmerzhaften Wahrheiten, die Windmüller im Buch ausspricht, sehr braucht.
Weiblich, ledig, glücklich – sucht nicht. Eine Streitschrift.
Rohwohlt, Berlin.
ISBN: 978-3-499-63413-0.
288 Seiten. 16,00 Euro.