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Cowboy Postcapitalism

Cowboy Postcapitalism
Thema
Essay von Leonhard Müllner

Postapokalyptische Trümmerlandschaften sind ein beliebtes Setting in Videospielen. Sie sind eine Antwort auf unseren Mangel an Visionen und Utopien und folglich eine konservative Kritik am Kapitalismus.

Essay von Leonhard Müllner

„Tomorrow never happens. It is the same fucking day, man.“ Janis Joplin, „Ball And Chain“ from the Album „Live In Europe“, 1969

Dieser Text entstand für einen Vortrag aus der Beschäftigung mit dem Fetisch der Apokalypse in Videospielen, marxistischer Literatur der pessimistischen Postmoderne und Ausformungen politischer Männlichkeit. Am Institut für Internationale Kulturwissenschaften in Wien (IFK) durchleuchtete ich den Themenschwerpunkt „Ruinen“ in Games, einen exzessiv besuchten Schauplatz in Videospielen. In den Ruinen der Massenmedien wird Krieg inszeniert, wollen Schätze von längst vergangenen Kulturen gehoben werden und lauern Zombiehorden jenen Überlebenden auf, die in ihnen verzweifelt nach Munition, Nahrung oder Medizin suchen. Für diese Publikation schwenkte ich den Fokus leicht von der Ruine zum Capitalist Cowboy, die Trägerfolie für massenmedial geträumte maskuline Allmachtsphantasien.

Während meiner 150 Stunden in dem Survival-Horror-Videospiel „Dying Light 2“ (Techland, Polen, 2022) hatte ich viel Zeit, mir über die ausgefallene Architektur im Setting Gedanken zu machen. In der Dying Light-Serie kämpfen die Avatare gegen „Infected“ und ruchlose Gangs von Überlebenden einer Seuche. In der Nacht erwachen besonders tödliche Untote, die die Spielenden über die Dächer und durch verlassene Büros jagen. Die Stadtlandschaft im zweiten Teil besteht aus blauen Glasfassaden, farblich optimistischer Verspieltheit und Wolkenkratzern. Von Anfang an machte es für mich Sinn, dass das Spiele-Studio Techland die Zombie-Apokalypse in eine Ära setzte, in der das Ende der Geschichte auf das Ende der Welt trifft. Der architektonische Stil der meisten Gebäude hier hat die Postmoderne gerade überwunden und ist dabei, das zu wiederholen, was wir als Zweite Moderne kennen, den modernen Stil nach dem Zweiten Weltkrieg.

„Dying Light 2“ versetzt die Spieler*innen in ein actiongeladenes Abenteuer, ein Rollenspiel-Horror-Survival-Game in einer zombieverseuchten postapokalyptischen Stadt. Die urbane Landschaft dient als Pastiche europäischer Ästhetik, bewusst anonym und örtlich unbestimmbar. Innerhalb ihrer Grenzen entdeckt man neugotische Backsteinkirchen, die an Polen und die Niederlande erinnern, Kanäle wie in Amsterdam oder Gdańsk und Maisonette-Dach-Häuser im Fachwerkstil, die ein französisches Flair hervorrufen. Viel spektakulärer als der Innenstadtbereich ist der Bezirk, in der die seelenlosen Glastürme des globalen Kapitals in den Himmel ragen – also zur postmodernen Moderne der Post-Apokalypse.

Diese „Dritte Moderne“, wie man sie nennen könnte und – um Marc Fisher zu zitieren – erscheint hier nur als „eingefrorener ästhetischer Stil“. In ihr macht sich der Mangel des modernistischen Ansatzes des „Ideals für das Leben“ bemerkbar. Fishers Buch „Kapitalistischer Realismus ohne Alternative?“ ist die „Millennial-Mao-Bibel“ des 21. Jahrhunderts („Auf den Trümmern das Paradies“, Ausgabe #44), eines der populärsten linken Bücher meiner Generation. Auf ihrem Cover sieht man ein Bild genau dieser gleichgültigen Glasfassade, wie sie auch im Spiel zu sehen ist.

Mark Fisher zitiert Frederic Jameson, der argumentierte, „dass das Scheitern der Zukunft konstitutiv für eine postmoderne Kulturszene sei, die, wie er korrekt prophezeite, von Pastiche und Revivals dominiert werden würde.“ (Übersetzungen im gesamten Text von Autor bzw. Redaktion) Die Post-Apokalypse definiert das Ende der Geschichte in ihrer absoluten Radikalität. Daher ist sie ein Produkt ihrer Zeit, in dem sie auf eine zukunftslose Zukunft ausgerichtet ist. Indem sich in ihr unsere Gegenwart mumifiziert, wird sie gleichzeitig auch aufgegeben. Die gesichtslose spätkapitalistische Moderne in „Dying Light 2“ fantasiert über eine Zukunft, in der unsere Gegenwart in einem korrodierten Zustand konserviert und gleichzeitig zu Scherben zerschlagen wird. Die Stadt im Spiel ist eine Pastiche, also eine Verdichtung zahlloser Referenzen, und dient daher als Ort des kollektiven Gedächtnisses. Dieses kollektive Gedächtnis wird weitgehend von den Massenmedien hergestellt und aufrechterhalten.

Diese Ruinen einer zerbröckelnden Zukunft sind das Ergebnis einer popkulturell vermittelten Angstlust und utopielosen, aber krisengebeutelten Pragmatik. Zumindest technologisch bringt die Postapokalypse den Fortschritt zum Stillstand. Daher ist das verlassene Trümmerfeld von einer gewissen Nostalgie und Abscheu beseelt. Auch friert die Postapokalypse die Geschichte ein, eine Geschichte – die laut Walter Benjamin – von einer modernistischen Annahme eines fortlaufenden Fortschritts der Epochen erzählt. Benjamin kritisiert den bisherigen Blickwinkel auf die Geschichte, „die ihr Vertrauen in die unendliche Ausdehnung der Zeit setzt […], in der Menschen und Epochen entlang des Weges des Fortschritts voranschreiten.“ Er verurteilt die modernistische Geschichtserzählung, in der die Katastrophe nichts anderes ist als der Status quo. Benjamin ist der Überzeugung, dass „das Konzept des Fortschritts auf der Idee der Katastrophe gegründet werden muss.“ Weiters argumentiert er prinzipiell gegen die Erzählung von Kontinuität, Fortschritt und Vernunft, gegen ein Geschichtsbild, das die Moderne grundlegend ausmacht. Benjamin sieht die Geschichte nicht als einen Prozess des ewigen Lebens, sondern eher sein Gegenteil, als ein unaufhörliches Fortschreiten des Verfalls.

In seiner Kritik der modernistischen Geschichtserzählung verwendet er die metaphorische Figur Angelus Novus, den Engel der Geschichte, eine metaphorische Figur, die Benjamin aus der Kabbala übernommen hat. Dieser Engel starrt nun auf die Trümmer der Vergangenheit, unfähig, das helle Licht seines Gottes zu verkünden, „Trümmer über Trümmer zu seinen Füßen“. Im Spiel sehen wir keinen Engel der Geschichte, sondern einen um sich schlagenden Avatar, der auf die Ruinen der vergangenen Zukunft starrt, eben jene Ruinen früherer Exzesse. Doch der Avatar des Spielenden scheint es zu genießen, hier zu sein. In seiner Umgebung in „Dying Light 2“ haben Hybris und unternehmerische Gier eine Pandemie ausgelöst und damit die Menschen in die Endzeit überführt. Andere Spiele wie „Horizon Zero Dawn“ erzählen eine ähnliche postapokalyptische Geschichte. Auch hier wird die modernistische Hybris und ihre zerstörerische Vorstellung von Geschichtshaftigkeit verurteilt. In ihren Auswüchsen liegt die modernistische Vorstellung von Zukunft unter dem Schutt, den es zu überwinden gilt, ohne aber eine bessere Gesellschaft oder gar eine wiederkehrende Moderne vorzuschlagen. Nicht nur Mark Fisher erklärte uns ja auch, dass es schwerfällt, uns irgendeine Zukunft vorzustellen, geschweige denn eine ohne Kapitalismus – und eine, die nicht gescheitert ist.

Es überrascht nicht, dass die Postapokalypse ein beliebtes Setting in Videospielen ist. Die Ruinen in den Massenmedien sind die Antwort auf unseren Mangel an Visionen und Utopien. Es ist eine Folge dessen, was Fisher als „reflexive Impotenz“ bezeichnet: zu wissen, dass die Dinge schlecht sind und nichts dagegen unternommen werden kann.

Ideologie der Postapokalypse in den aktuellen Massenmedien

Der narrative Rahmen des Genres der Postapokalypse folgt oft einer konservativ geprägten Nostalgie oder, in den Worten von Zygmunt Bauman, einer „Retrotopie“. Óliver Pérez-Latorre schreibt, dass

„post-apokalyptische Videospiele bestimmte Spannungen und Dilemmata widerspiegeln, die für die zeitgenössische Gesellschaft charakteristisch sind, zwischen der Propagierung einer ‚retro-modernen‘ ökologischen und kommunitären Utopie oder einem nostalgischen Drang, zu traditionelleren/konservativeren sozialen Modellen und Lebensstilen zurückzukehren und dort Zuflucht zu suchen.“

Die Retrotopie ist zu einer Traumschmiede für die Gedankenexperimente postapokalyptischer Spiele wie die „Fallout“-Serie oder „The Last of Us“ geworden. Teilweise mit einer retrotopischen Atmosphäre der 1950er Jahre flirtend, bildet sie den Hintergrund für hegemoniale Ruinporn- Erzählungen. Barbara Gurr schreibt, dass „die häufige Abhängigkeit der postapokalyptischen Science-Fiction von der Mythohistorie der amerikanischen Vergangenheit ein kulturelles Verlangen nach einer kollektiven amerikanischen Identität enthüllt, die bisher nur unvollständig verwirklicht wurde.“ Eine

„spekulative Zukunft beruht auf der eigentlichen Gestalt und Funktion der Grenze: ein weites und gewaltvolles Gebiet, das den Menschen die Freiheit bietet, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen und eine neue (bessere?) Welt zu erschaffen. Und wer sind diese mutigen, unbezwingbaren Männer? Es sind die Cowboys.“

Die Überlebenden in postapokalyptischen Spielen sind in der Regel weiße wohlhabende Männer. Wie Cowboys sind sie romantische Figuren. Sie kämpfen sich durch eine verseuchte Stadtlandschaft, töten und plündern menschliche Feinde und Zombies gleichermaßen, lagern Beute in ihren Inventaren, kaufen bessere Waffen, um effizienter und gefährlichere Feinde zu töten, und verkaufen ihre wertvolle „loot” weiter für höhere Preise.

Der zeitgenössische Avatar am Ende der Welt ist ein Cowboy-Enterpreneur. Im Laufe des Spiels wird er abartig reich, ohne tieferen Sinn, als seinen Reichtum noch weiter zu akkumulieren. Der Begriff des kapitalistischen Cowboys wurde von den Soziologen Craig Jenkins und Teri Shumate geprägt. Sie beschreiben damit die herrschende Klasse ultrakonservativer Unternehmer in der US-amerikanischen Nachkriegs-Sunbelt-Region, die sich selbst als „Pioniere und selbstgemachte Eroberer“ darstellten. Diese Vertreter einer maskulinistischen Oberschicht erlangten ihren Reichtum etwa durch Tourismusindustrie und Agrarwirtschaft. Sie wurden von einer Anpackermentalität durchdrungen, während sie auf ihren Pferden über die weite, offene Prärie ritten. Mit den „Cowboy-Charakteren der Postapokalypse“, verweist Pérez-Latorre auf eine Kontinuität, in der Männer

„durch den Erwerb oder die Betonung bestimmter neoliberaler und patriarchalischer Eigenschaften, wie Führungskompetenzen, einer außergewöhnlichen Anpassungsfähigkeit an Veränderungen und das ständige Auftauchen neuer Risiken, einer dominanten Persönlichkeit und eines Eroberungsgeistes sowie die Ausdruck von Macht durch Stärke und Aggressivität”

zu Helden werden. Genau diese Charakterattribute treffen auch auf die meisten hyper-individualistischen Avatare in Videospielen zu.

Der Ort, der „Cowboy-Capitalists“ zur Eroberung lockt, ist der unbefleckte, leere und unabgesteckte Raum der Natur. Die Wildnis, so Óliver Pérez-Latorre, ist deshalb „eine besonders komplexe Metapher der post-apokalyptischen Erzählungen“ da hier „die Idee einer ‚Rückkehr zur Natur‘ oft eine ideologisch ambivalente Rolle spielt.“ In der Endzeit wird das Setting von Videospielen zu etwas Natürlich-Rohem, einem wilden und pitturesken Schlachtfeld, selbst wenn es sich um eine Stadtlandschaft handelt. Mit Krista Comer argumentiert Barbara Gurr, dass weiße Menschen sich immer wieder die Geschichte erzählen würden, ständig die Grenzen (frontiers) von Zivilisation und Natur zu besiedeln, um damit einer der am tiefsten verwurzelten Grunderzählungen, den „Wildnis-Plot“ mit seinen „exotisierten und entvölkerten Bildern und der großen entmenschlichten Natur im Zentrum des breiteren geokulturellen Imaginären” zu verankern. Die entmenschlichten Menschen hier sind die Zombies. Sie sind wild in jeder Hinsicht ihrer Bedeutung, ehemalige Menschen in einer ehemaligen menschlichen Stadt und damit rückgeführt in den phantasmatischen Raum des Natürlichen.

Zombies als Natur

Eine Menge Literatur verhandelt die Toxizität des Naturbegriffs. Dieser setzt an am Ausgangspunkt eines neuen, extraktivistischen und ausbeuterischen Naturverständnisses am Anfang dessen, was Marx die „primitive Akkumulation“ nannte, in der Zeit der Kolonisierung des 15. Jahrhunderts. Ein Jahrhundert, in dem auch die Idee des „Frontierismus“ Fuß fasste und die Natur alles das war, was jenseits der Zivilisationsgrenze existierte (Frauen sind hier eine Ausnahme). Hinter diesen natürlichen Grenzen lebt das, was die Spanier und ihre Vorgänger damals als Wilde, mit begrenzten zivilisierten Merkmalen klassifizierte. Silvia Federici leuchtete in ihrer Forschung den Denkraum der Kolonisten aus: „ihre ‚Nacktheit‘ und ‚Sodomie‘, die die Indianer als tierische Wesen qualifizierten, als Zeichen ihrer Bestialität.“ Es ist in keiner Weise akkurat, diesen Vergleich hier anzustellen, aber schlüpft man in die Köpfe der Frontierist*innen, findet sich eine fortdauernde toxische Weltdeutung. Wie indigene Völker und die Natur, der sie zugeschrieben wurden, sind die Zombies dazu da, mit Axt und Armbrust erobert zu werden – um nach Marx „eingehegt“, ausgerottet und von Spielenden „gelootet”, also geplündert zu werden können. Tatsächlich können die untoten, aber besiegten Leiber ausgebeutet werden, indem wertvolle oder verwertbare Objekte aus ihren toten Körpern geborgen werden. Wo das Zombie-Genre mit George Romero und seinem „Night of the Living Dead“ als Kapitalismuskritik begann, werden die „Untoten“ in Videospielen paradoxerweise zu einer Ressource, aus der man Reichtum gewinnen lässt. In Romeros Filmen aber dienen sie als Metapher für die entrechtete Arbeiter*innenklasse, die durch die corpo-politics vollkommen entmachtet wurde. Charakteristisch für den Kapitalismus ist es, die Menschen ihrer Handlungsfähigkeit zu berauben. Ohne Handlungsfähigkeit wird der Mensch zum Zombie, einem wandelnden Kadaver. Seelenlos treibt er in Ruinen umher, selbst Körperruine und von einem naturhaften Algorithmus fremdbestimmt.

In Videospielen lässt sich eine Typologie von drei verschiedenen Ruinen finden. Erstens: Da die Massenmedien von Kriegen und Militär besessen sind, kämpfen sich die Spielenden durch die Ruinen der durch Bomben pulverisierten Städte oder Dörfer. Zweitens sind Ruinen in den Phantasiewelten der Rollenspiele anzutreffen. Inmitten dieser Ruinen graben sich die Spieler in die „kosmische Tragik“ (Benjamin) technologisch fortschrittlicher und antiker Zivilisationen ein, die durch prometheische Hybris und unersättliche Gier angetrieben wurden, bis sie ausstarben. In Spielen und Spieleserien wie „The Witcher“, „Skyrim“, „Baldur's Gate“ und „Spellforce“ reichen die Ruinen bis zu antiken Elfenkulturen zurück, inspiriert durch die Atlantis-Saga, in der die entgrenzte Nutzung von Technologie das Gefüge der Zivilisation selbst zertrümmerte. Drittens sind Ruinen das selbstverständliche Biom spekulativ-dystopischer Zukünfte.

Das Videospiel als Ruine

In großen Spielestudios, die entlang enger Fristen von Publisher*innen und Shareholder*innen und den Marktforschungen von Marketingabteilungen arbeiten, wurde es zunehmend üblich, deren Titel in unfertigen Zuständen und mit einer Vielzahl ungelöster technischer Probleme und verworfener Ideen zu veröffentlichen. Die meisten der Triple-A-Spiele der letzten Jahre wurden in kaum spielbaren Zuständen mit jeder Menge Bugs gelauncht. Da die Videospielindustrie der größte Investmentmarkt der gegenwärtigen Unterhaltungskultur gehören, sind sie an die Bedürfnisse der Anleger*innen gebunden. Ihre Erwartungen sind oft schon am ersten Tag der Veröffentlichung des Spiels erfüllt, da große Titel in der Regel vorbestellt und damit vorausfinanziert oder im Moment des Veröffentlichungstermins mit Vorfreude gekauft werden. Als fehlerhaftes Produkt verliert es zwar dadurch an Popularität bei der Community, hat aber bereits darin seinen Zweck erfüllt, das Investment mit Profitmargen wieder einzuspielen. Oft passiert es da, dass in den folgenden Wochen die Gaming-Community das Spiel wieder weglegt und dadurch eine entvölkerte digitale Welt hinterlässt. Prominente Beispiele sind „Anthem“, „Fallout 76“, „Cyberpunk 2077“, „Battlefield 2042“, um nur einige der jüngsten zu nennen.

Die Videospielindustrie baut Ruinen nach der im Spätkapitalismus eingeschriebenen Logik.

„Ruinenbauen, das heißt: zersetzen, zerschlagen, demolieren von Lebens- und Gesellschaftsformen. Und das passiert nun eben nicht, damit das Bestehende sabotiert, sondern damit es aufrechterhalten wird. Damit der Glaube, dass es nicht anders sein kann, als es ist, materiell untermauert wird”,

schreibt Simon Nagy in seiner Doktorarbeit „Der Spuk als Versprechen“. Die Postapokalypse als Retrotopie erfüllt ihren Zweck, als das in ihr Handlungsmacht und die Wirkmächtigkeit des Individuums, das in ihr zum „Game-Changer“ wird, unsere gegenwärtigen wirtschaftlichen und politischen Strukturen, die uns wenig Sinn und Zukunft anbieten, kompensiert. Die klassische dystopische Erzählung ist folglich die konservativste Kritik am Kapitalismus. In der liberalen Vision entspringt die gegenwärtige Polykrise der Gier und Hybris und beklagt dadurch die Fehler des Einzelnen und nicht das System, das all diese Fehler mit Wettbewerb, Wachstum und Meritokratie strukturell aufrechterhält und einfordert. Durch diese essentialistischen Erklärungen im Modus menschlicher Charakterstrukturen wirft uns die liberale Erzählung daher zurück in die Natur, die sie gerade zerstört.

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Der Essay entstand aus einem Script zu einer Vorlesung im Rahmen der Konferenz „Crumbling Worlds. Living in Ruins, Repairing Infrastructures“ des Internationalen Instituts für Kulturwissenschaften in Wien am 17 Januar 2024.

Zusätzlich verwendete Literatur

Walter Benjamin: Das Leben der Studenten. München 1915. Walter Benjamin: The Arcades Project. Cambridge 1999 [1940], S. 473. Silvia Federici: Caliban and the Witch Women, the Body and Primitive Accumulation. New York 2003. Mark Fisher: Capitalist Realism. Is there no Alternative. New Alresford 2009. Barbara Gurr: Race, Gender, and Sexuality in Post-Apocalyptic TV and Film. New York 2015. Craig Jenkins, Teri Shumate: Cowboy: Capitalists and the Rise of the "New Right": An Analysis of Contributors to Conservative Policy Formation Organizations. In: Social Problems 33/2 (1985). Simon Nagy: Spuk als Versprechen. Über dialektische Hauntologie, Ruinenbauen und die Abschaffung von Zeit. Unveröff. Diss., Wien 2023. Pierre Nora: Realms of Memory. The Construction of the French Past. Volume I, Conflicts and Divisions. New York 1996. Óliver Pérez-Latorre: Post-apocalyptic Games. Heroism and the Great Recession. In: Game Studies. The International Journal of Computer Game Research,https://gamestudies.org/1903/articles/perezlatorre (Zugriff: 03.07.2024)

Zitathinweis: Leonhard Müllner: Cowboy Postcapitalism. Erschienen in: Critical Gaming. 72/ 2024. URL: https://kritisch-lesen.de/s/9dhQa. Abgerufen am: 30. 10. 2024 22:23.