Rechte Rhetorik in konservativem Gewand
- Buchautor_innen
- Lilian Hümmler
- Buchtitel
- Wenn Rechte reden
- Buchuntertitel
- Die Bibliothek des Konservatismus als (extrem) rechter Thinktank
Eine präzise und lesenswerte Analyse rechter Sprache und ihrer Funktion im Kampf um gesellschaftliche Diskursräume.
Das vorliegende Buch kann als eine funktionale Taschenlampe gesehen werden. Lilian Hümmler erhellt mit ihrer Analyse zum einen die Bibliothek des Konservatismus als einen bisher wenig beachteten Raum und damit unterbelichtete Protagonist_innen der (extremen) Rechten. Zum anderen wirft sie ein Schlaglicht darauf, wie wissenschaftliche Publikationen aussehen können – mit klarer machtkritischer und antifaschistischer Haltung. Statt eines Objektivitätsanspruchs wird das eigene Wissen situiert verortet und die jahrzehntelange Arbeit von Aktivistinnen hervorgehoben, die eine Theorieproduktion jenseits von Hochschulen betreiben.
Konservatismus als Deckmantel für rechte Gesellschaftsveränderung
Rechte reden. Sie reden viel, sie reden miteinander, sie reden über vermeintliche Partei- und Zugehörigkeitsgrenzen hinweg. Doch sie tun dies nicht als Selbstzweck oder allein für die Stärkung nach innen, sondern mit dem Ziel der Veränderung gesellschaftlicher Diskurse. Das vorliegende Buch zeigt, mit welcher Rhetorik rechte Akteur_innen gesellschaftliche Diskurse und Wertvorstellungen zu beeinflussen versuchen. Dabei ist es nicht als eine Einladung zum Dialog mit ebenjenen Akteur_innen zu verstehen, sondern als Analysetool. Denjenigen, die von rechten Diskursen und Praktiken marginalisiert, angegriffen und herabgewürdigt werden, ermöglicht es eine Sichtbarmachung der sprachlichen Gewalt. Die Bibliothek des Konservatismus (BdK) in Berlin-Charlottenburg wird als „Knotenpunkt institutioneller und personeller Überschneidungen (extrem) rechter Akteur:innen“ (S. 29) herausgestellt. In seiner Bedeutung als extrem rechter Thinktank steht es dabei dem bundesweit bekannteren „Institut für Staatspolitik“ in Schnellroda in nichts nach. Vom AfD-Ideologen Marc Jongen über den rechten Theoretiker Karlheinz Weißmann bis hin zum ehemaligen Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen oder der Vorsitzenden der Desiderius-Erasmus-Stiftung Erika Steinbach – sie alle waren schon als Referent_innen in der BdK geladen und konnten hier nicht nur vor einem zuhörwilligen Publikum ihre Ansichten und Thesen verbreiten, sondern auch eine (extrem) rechte Vernetzung vorantreiben.
Unter den Oberbegriffen „Fortführen“, „Herstellen“ und „Verändern“ unterzieht Lilian Hümmler 24 Veranstaltungsmitschnitte der Bibliothek des Konservatismus einer kritischen Analyse. Dabei geht es ihr nicht allein um das, was gesagt wird, sondern auch darum, wie das anwesende Publikum darauf reagiert und wie „diskursive Interventionen“ (S. 25) genutzt werden. Unter diskursiven Interventionen sind dabei Strategien und Praktiken zu verstehen, mit denen es darum geht, Sagbarkeitsgrenzen weiter nach rechts zu verschieben.
Strategien der Grenzverschiebung
Hierbei differenziert Hümmler zwischen insgesamt neun Strategien, die das Ziel haben, vermeintliche Traditionen fortzuführen, diese herzustellen oder Diskurse zu verändern. Unter „Fortführen“ benennt sie das bekannte „Freund-Feind-Schema“ in Bezug auf marginalisierte Gruppen und die Zugehörigkeit zu einem vermeintlichen „Wir“. Des weiteren benennt sie einen Freiheitsdiskurs, in dem die Fortführung einer heteronormativen Tradition als gesellschaftliche Entlastung gesehen wird, die sich nicht dem „Staatsfeminismus“ unterwirft.
Unter „Herstellen“ fasst sie solche Strategien, die mehr Schein als Sein sind. So versucht sich die BdK als Ort der männlich-weißen Wissenschaft darzustellen: auf struktureller Ebene als Bibliothek, auf personeller Ebene durch die Darstellung der Referent_innen als Expert_innen, auf inhaltlicher Ebene durch eine ständige Anrufung des vermeintlich Faktischen und Rationalen, der Vernunft gegen die herrschenden Verhältnisse. Hier appelliert Hümmler auch an linke Wissenschaft, vielfältige Perspektiven sichtbar zu machen:
„Um in der Manege der Deutungskämpfe zu gewinnen oder wenigstens standzuhalten, reicht es meines Erachtens nicht, der (extrem) rechten Wahrheit eine andere, ebenfalls objektive Wahrheit entgegenzusetzen. Es reicht nicht, nur die Brüche und Widersprüche aufzuzeigen, auch wenn das ein Anfang ist. Es sollte vielmehr auch darum gehen die Logik dahinter zu kritisieren, die überhaupt den Anspruch auf die einzige Wahrheit, auf objektives Wissen erhebt“ (S. 65).
Immer wieder werden in der BdK außerdem auf die Gefahr für Deutschland rekurriert und Katastrophenszenarien eröffnet. Dies geschieht in Vorträgen durch Wortneuschöpfungen wie „Antifanten“ ebenso wie durch Naturbilder wie dem „Raubtiersozialismus“ oder aber durch zahlenmäßige Übertreibungen, die Bedrohungsgefühle bei den Zuhörer_innen schüren sollen – gerade dann, wenn es um die Themen Migration und Flucht geht.
Welche Strategien darauf abzielen, eine Veränderung bestehender Diskursräume herbeizuführen, führt Hümmler im Anschluss aus. Hierbei finden sich „klassische“ Strategien wie „Ich habe ja nichts gegen xy, aber...“ genauso wie Täter-Opfer-Umkehr und Verschwörungsdenken. Gerade in Bezug auf Geschlechterpolitiken wird in der BdK auf eine „Lobby” rekurriert, die von oben in die Familie oder die Ehe eingreife. Ähnliches zeigt sich in Bezug auf antimuslimischen Rassismus und Antisemitismus, wenn über „eingeschleuste Imame“ oder die EU-Finanzpolitik gesprochen wird. Als letzte diskursive Interventionen werden der Hass auf Angela Merkel und ein männlicher Abwehrkampf beleuchtet. Ersteres ist stark durch einen antifeministischen Blick auf Merkel als Frau geprägt und zeigt sich in Infantilisierung, Dämonisierung und Pathologisierung von Angela Merkel als Person. Der männliche Abwehrkampf zeigt sich in der Selbstdarstellung des konservativen Außenseiters, der Mitstreiter_innen gegen den queeren und feministischen Mainstream (you wish!) sucht. Hier zeigt sich das enge Zusammenspiel der Selbstviktimisierung und des eigenen Heldentums.
Feministische und machtkritische Brille
Als roter Faden zieht sich ein feministischer Blick durch die Analyse. So ist in der Bibliothek des Konservatismus nicht nur der „Sonderbestand Lebensrecht“ christlich-fundamentalistischer Abtreibungsgegner_innen zu finden, es finden auch immer wieder Veranstaltungen mit antifeministischen Inhalten und Protagonist_innen wie Sophia Kuby, Hedwig von Beverfoerde oder dem ZEIT-Autor Jens Jessen statt. Lilian Hümmler zeigt dabei auf, dass Geschlecht immer wieder relevant gemacht wird – sei es durch antifeministische Themensetzungen oder durch Selbstdarstellung, die immer auch auf die eigene Männlichkeit referiert.
Eine Tabelle im Anhang mit allen Referent_innen und in der Bibliothek des Konservatismus stattgefundenen Veranstaltungen bietet einen Überblick über die Bandbreite an Personen, die sich hier selbst unter dem Schlagwort „konservativ“ zusammenfinden, und über welche Themen diskursiv Einfluss genommen wird. Besonders hervorzuheben ist außerdem die Sprache des Buches: Diese ist klar, mit kurzen Sätzen und Erklärungen komplexer Fachbegriffe, und holt den_die Leser_in durch Zusammenfassungen immer wieder ab.
Danke für dieses wichtige Buch, welches hoffentlich dazu beiträgt, dass mehr Personen rechte Rhetorik nicht als Einladung zum Gespräch verstehen, sondern als das, was sie tatsächlich ist – strategisch eingesetzte Menschenverachtung.
Wenn Rechte reden. Die Bibliothek des Konservatismus als (extrem) rechter Thinktank.
Marta Press, Hamburg.
ISBN: 978-3-944442-71-6.
141 Seiten. 16,00 Euro.