Marxistische Antworten auf ökologische Fragen
- Buchautor_innen
- John Bellamy Foster, Brett Clark, Richard York
- Buchtitel
- Der ökologische Bruch
- Buchuntertitel
- Der Krieg des Kapitals gegen den Planeten
Die kapitalistische Akkumulation hat infolge der Globalisierung des Monopolkapitalismus in der Beziehung zwischen Natur und Gesellschaft eine Vielzahl ökologischer Brüche erzeugt, die in einer planetarischen ökologischen Krise mündeten. Der einzige Ausweg ist eine ökologische Revolution.
Eine wesentliche Erkenntnis der ökomarxistischen Debatten, die in der deutschsprachigen Diskussion und den theoretischen Arbeiten zu Umweltproblemen in Vergessenheit geraten ist, wird von John Bellamy Foster und seinen Co-Autoren wieder aufgegriffen und ins Zentrum ihrer Analyse gestellt: „alle marxschen Werke von den Ökonomisch-philosophischen Manuskripten aus dem Jahre 1844 bis zu seinen Ethnologischen Exzerptheften der späten Siebziger bis zu den frühen Achtziger Jahren“ (S. 260; Herv. i.O.) durchzieht eine Konzeption des gesellschaftlichen Verhältnisses zur Natur, der zufolge die gesellschaftliche Arbeit zwischen der menschlichen Gesellschaft und der Natur vermittelt. „Arbeit ist der Prozess, in dem die Menschen durch den Austausch organischer Materie mit der Natur interagieren“ (S. 118). Dabei sind sie einerseits darauf angewiesen, die relativ unabhängigen Prozesse der Natur zu erkennen und bei Strafe des eigenen Untergangs zu beachten, andererseits entwickeln sich die menschlichen Gesellschaften durch ihre gesellschaftliche Produktion in relativer Unabhängigkeit von den Naturkräften. Gleichzeitig stehen beide in permanentem Austausch miteinander. Die menschlichen Produktionsverhältnisse wirken auf die Natur zurück und beeinflussen diese ebenso wie die Natur und ihre Veränderungen sich auf die menschliche Produktionsweise auswirken. Diesen vermittelnden „Prozeß zwischen Mensch und Natur“ (MEW 23, S. 192) bezeichnet Marx in Anlehnung an die naturwissenschaftliche Forschung seiner Zeit als „Stoffwechsel“ (ebd.) oder – in der wissenschaftlichen Terminologie des deutschen Chemikers Justus von Liebig – als „Metabolismus“ (S. 76).
Der Stoffwechselprozess zwischen Natur und Gesellschaft hat unabhängig von der Formation Bestand, in denen die Gesellschaften produzieren. Auch wenn „jede Produktionsweise“ eine historisch-spezifizierte „soziale metabolische Ordnung erzeugt“ (S. 332), war der Metabolismus die Basis der Urgesellschaften und des Feudalismus ebenso wie er die Grundlage der heutigen kapitalistischen Produktionsweise bildet. Sowohl in den „Grundrissen“, in denen Marx seine umfangreichen Vorarbeiten für „Das Kapital“ zusammenfasste, als auch im marxschen Hauptwerk, der „Kritik der politischen Ökonomie“, stellt Marx den metabolischen Prozess zwischen Gesellschaft und Natur als Bedingung für die Existenz menschlicher Gesellschaften dar. Für Foster et al. bildet dieses historisch-materialistische Konzept, das Marx in den „Grundrissen“ „Produktion im Allgemeinen“ (S. 262) nennt und im „Kapital“ am weitesten entwickelt wurde (vgl. MEW 23, S. 192-200), den Ausgangspunkt einer Kritik der heutigen nachhaltigen Zerstörungen der Natur.
Der ökologische Bruch, ökologische Krisen und ökologischer Imperialismus
Heute sind die Verwüstungen der Umwelt für Foster und seine Kollegen „letzten Endes vorrangig eine Frage der politischen Ökonomie“ (S. 149). Denn „aus den Konflikten und Widersprüchen der modernen kapitalistischen Gesellschaft“ (S. 15f.) entspringt ein „allumfassender Bruch in der menschlichen Beziehung zur Natur“ (S. 20). Dieses „entscheidende Problem“ (S. 155) erwächst im Wesentlichen aus „der Tretmühle der kapitalistischen Akkumulation“ (S. 190), das heißt aus dem Zwang zum „exponentiellen ökonomischen Wachstum“ (S. 155), das aus den kapitalistischen Produktionsverhältnissen entstammt. Im Zuge dieser beständigen Anhäufung von Kapital werden die beiden „Springquellen alles Reichtums“ (MEW 23, S. 530) – die Erde und der Arbeiter – systematisch untergraben, um sie wie in „der griechisch-römischen Midas-Sage“ (S. 108) in Gold zu verwandeln. „Die metabolische Sozialordnung des Kapitalismus“ ist folglich „immanent antikökologisch“ (S. 74). Dadurch dass die kapitalistische Ökonomie „keine absoluten Grenzen seines eigenen Fortschreitens“ (S. 31) kennt, das personifizierte Kapital die Natur als „freie Geschenkgabe“ (S. 412) und ihre Gesetzmäßigkeiten „als einfache Schranken (statt als Grenzen) seiner eigenen Selbstausdehnung“ (S. 269) behandelt, überschreitet sie systematisch die objektiven Grenzen der Natur. „Der ökologische Bruch ist“ also „das Produkt eines gesellschaftlichen Bruchs“ (S. 50).
Entsteht in einem konkreten metabolischen Prozess einmal ein „unheilbarer Riss“ (S. 77), entwickelt sich eine „ökologische Krise“ (S. 73). Da kapitalistische Gesellschaften die Ursachen für die einzelnen Krisen nicht an ihrer Wurzel beheben, kommt es zu räumlichen und zeitlichen Verschiebungen. Das heißt, der ökologische Riss wird nicht gekittet und die ökologische Krise nicht gelöst, sondern verlagert. Dies hat zur Folge, dass sich andernorts und zu einer anderen Zeit ein weiterer „irreparabler Bruch“ (S. 119) in der „komplexen Koevolution von Natur und menschlicher Produktion“ (S. 30) bildet, der in der Regel gravierendere Konsequenzen für Gesellschaft und Natur besitzt als der ursprüngliche Spalt im Metabolismus: Die sozialökologischen Probleme potenzieren sich.
Solange die Störungen im Stoffwechsel lokalen oder regionalen Charakter hatten, waren Verschiebungen eingeschränkt möglich – trotz ihrer verheerenden Auswirkungen. Die Entwicklung des „Monopolkapitalismus“ (S. 173), den die Autoren in Anlehnung an Paul Sweezys theoretische Überlegungen konzipieren, „hat den metabolischen Bruch auf globalen Maßstab ausgeweitet“ (S. 77). „Die globale Ausdehnung des Kapitals führt zur Schaffung einer planetarischen ökologischen Krise“ (S. 85), zu einem „globalen ökologischen Bruch“ (S. 331).
Wenn die „planetarischen Grenzen“ (S. 49) einmal überschritten worden sind, werden die ökologischen Brüche und ihre Folgen von den imperialistischen Kernstaaten wie den USA oder der EU durch einen „ökologischen Imperialismus“ (S. 329) auf die Staaten und Bevölkerungen der globalen Peripherie abgewälzt. Darin erschöpft der ökologische Imperialismus sich allerdings nicht. Die Kernstaaten versuchen zudem mit Hilfe von politisch-ökonomischen Mitteln, sich bevorzugten Zugang zu knappen Rohstoffen zu sichern und Bedingungen für einen ungleichen Tausch herzustellen, über den sie zu Vorzugspreisen Zugriff auf Ressourcen erhalten. „Die Natur des ökologischen Imperialismus“ liegt also letztlich darin, „die ökologischen Bedingungen weltweit kontinuierlich zu verschlechtern“ (S. 355).
Foster et al. veranschaulichen diese theoretische Argumentation sowohl an einem Modell, dem Marx schon im 19. Jahrhundert seine Aufmerksamkeit gewidmet hat, – dem durch die industrielle Landwirtschaft hervorgerufenen Nährstoffverlust kultivierter Böden in Großbritannien – als auch an einem aktuellen Modell – dem globalen Bruch im „Kohlenstoff-Metabolismus“ (S. 116), der gegenwärtig im Klimawandel kulminiert.
„Grüner Kapitalismus“ und „elitäres Umweltbewusstsein“ – Ökologische Modernisierung und ökonomischer Malthusianismus
Lenins klassische Frage „Was tun?“ drängt sich auf angesichts des realen Bedrohungsszenarios durch den Klimawandel, die rücksichtslose Zerstörung der Arten, die Übersäuerung der Ozeane, den Ozonmangel in der Stratosphäre, den weltweiten Frischwasserverbrauch, die veränderte Landnutzung, die atmosphärische Aerosolaufladung, die chemischen Verschmutzungen und die Brüche im Phosphor- und Stickstoffkreislauf.
Aufgrund ihrer Analyse überrascht es nicht, dass Foster, Clark und York alle politischen Projekte einer scharfen Kritik unterziehen, die nach Palliativmittelchen für die ökologischen Krise(n) suchen und die kapitalistischen Produktionsverhältnisse intakt lassen wollen. Die technologiezentrierten, marktgesteuerten, konsumorientierten Ansätze verwerfen sie ebenso wie die verschiedenen Formen des Umweltmanagements und die dazugehörigen (sozial)wissenschaftlich-philosophischen Positionen.
„Die heutige Umweltbewegung“ (S. 149), konstatieren die Autoren, verfolgt einen solchen Kurs der „ökologischen Modernisierung“ (S. 239) des Kapitalismus, um aus der ökologischen Krise herauszukommen. Sie ist sich zwar nicht darüber einig, wie die Modernisierung vonstattengehen soll, aber über das Ziel von Reformen herrscht weitgehend Konsens. Dass dies nicht nur die „'Ökologisierung der Wirtschaft'“, sondern auch die „'Ökonomisierung der Ökologie'“ (S. 241) zur Folge hat, wird in Kauf genommen, obwohl damit genau die „Triebkräfte“ der Zerstörung weiter angeheizt werden, die zu den Umweltproblemen geführt haben. Foster et al. entgegnen daher, dass die „Reproduktion der Umwelt nicht im Einklang mit den 'Regeln des Marktes' funktioniert“ (S. 242). Der „grüne“ oder „nachhaltige Kapitalismus“ (S. 408) bedeutet die Fortsetzung der ökologischen Verwüstungen, nicht ihr Ende.
Ein von Umweltschützern „besonders aus wohlhabenden Ländern“ getragenes Projekt ökologischer Modernisierung ist der „ökonomische Malthusianismus“ (S. 358). Dessen VertreterInnen sehen in der wachsenden Zahl von KonsumentInnen die zentrale Gefahr für die Erde. Die „Verbraucherkultur“ ist „Anfang und Ende aller Umweltprobleme“ (S. 361). Die Lösungsstrategie besteht dementsprechend darin, den Massenkonsum zurückzufahren und die KonsumentInnen zu einem „grünen Einkaufsverhalten“ (S. 360) anzuhalten. Während also die Anhänger des „demografischen Malthusianismus“ (S. 358) das Wachstum der Bevölkerung kontrollieren wollten, um eine vermeintliche Kluft zwischen Bevölkerungswachstum und der Produktion von Lebensmitteln zu regulieren, verfolgen die ökonomischen MalthusianerInnen in der Umweltbewegung das Ziel, den ansteigenden Konsum der Individuen zu kontrollieren, um den ökologischen Zerstörungen Einhalt zu gebieten. Beiden Positionen ist gemein, dass sie auf einer „verkürzten Behandlung von Klassenangelegenheiten“ (S. 370) und dementsprechend auf einem falschen Bewusstsein der gesellschaftlichen Verhältnisse beruhen, das Foster und seine Kollegen als „elitäres Umweltbewusstsein“ (S. 371) charakterisieren.
Zweierlei Konsum – zweierlei Konsumkritik
Der „ökonomische Malthusianismus“ gründet zudem laut Foster, Clark und York auf einem weit verbreiteten Missverständnis in der Ökologiebewegung: dem „Rätsel des Konsums“ (S. 364). Sie meinen damit eine Vermengung von zwei unterschiedlichen Konsumbegriffen. Während sowohl AktivistInnen als auch WissenschaftlerInnen der grünen Bewegungen den Konsum schlechthin für ökologische Probleme verantwortlich machen, ist es unter Rückgriff auf Marx möglich, zwischen individueller und produktiver Konsumtion zu differenzieren. Dies erlaubt auch eine wesentlich genauere Beantwortung der Fragen, wer die exorbitanten Mengen an Energie und anderen natürlichen Stoffen verbraucht, und wie man dieser Vernutzung der Umwelt am besten begegnet.
Die klassische grüne Konsumkritik konzentriert sich in der Regel auf „den“ Konsum. Damit stellen ihre VertreterInnen letztlich zum Beispiel die Produktion von Haushaltsmüll einerseits und radioaktivem Abfall durch Atomenergie auf eine Stufe. Beide sind Folgen „des“ Konsums. Entsprechend raten die traditionellen KonsumkritikerInnen dazu, Strom zu sparen, Müll zu trennen, Waren mit geringem Verpackungsanteil einzukaufen und so weiter. Dabei handelt es sich nicht nur um eine individualistische Strategie, um das Müllaufkommen zu reduzieren, sondern auch um eine, mit der die Produktion gänzlich ausgeklammert wird.
Eine zeitgemäße Konsumkritik, die nicht hinter die Erkenntnisse von Marx und Engels zurückfällt, basiert hingegen auf der Scheidung zwischen dem Konsum der Individuen und dem produktiven Konsum kapitalistischer Unternehmen. Am Modell der Müllproduktion in den USA zeigen Foster et al. überzeugend, dass die einzelnen KonsumentInnen lediglich 2,5 Prozent des Gesamtabfalls erzeugen. Die restlichen 97,5 Prozent setzen sich aus „(1) Industriemüll, (2) Bau- und Abrissmüll sowie (3) Sondermüll (Abfälle aus Bergbau, Treibstoffproduktion und Metallverarbeitung)“ (S. 363) zusammen. Fosters, Clarks und Yorks Kritik sollte auch nicht wieder falsch verstanden werden. Sie ist auch kein Plädoyer für einen kulturindustriell angeleiteten Hedonismus. Es nicht falsch, weniger Müll in den eigenen vier Wänden zu produzieren. Aber eine signifikante Veränderung der Umweltbelastung wird auch in diesem Punkt nur möglich sein, wenn die Produkte gesellschaftlich anders hergestellt werden. Eine politische Lösungsstrategie zur Verringerung der Umweltbelastung durch Müll muss sich dementsprechend gegen die Produktionsweise kapitalistischer Unternehmen und die ihnen zugrundeliegenden Produktionsverhältnisse richten.
„Die einzige vernünftige Antwort“: „ökologische Revolution“ (S. 414)
Foster, Clark und York schlussfolgern aus ihrer Untersuchung, dass es „einer ökologischen und sozialistischen Revolution des 21. Jahrhunderts“ (S. 420) bedarf, um der ökologischen Probleme Herr zu werden. Eine ökologische Umwälzung auf dem gesamten Globus ist letztlich Teil des „Kampfes für den Sozialismus“ (S. 419). „Es kann keine wirkliche ökologische Revolution geben, die nicht sozialistisch wäre, keine wahrhaft sozialistische Revolution, die nicht ökologisch ist“ (S. 419). Diese schließt auch ein neues qualitatives Element ein. Wie Marx Thomas Müntzer zitierend schreibt, müssen „alle Lebewesen ebenfalls befreit werden“ (S. 61). Kurz- und mittelfristige Maßnahmen werden dadurch keineswegs ausgeschlossen.
Der „Initiator“ (S. 418) und die „Hauptkraft für eine ökologische Revolution kommt aktuell aus dem globalen Süden“ (S. 417). Um diese Revolution machen zu können, muss das „Umweltproletariat“ (S. 379) – ein Zusammenschluss des klassischen marxschen Proletariats und derjenigen, die von ökologischen Zerstörungen bedroht werden oder bereits unter ihnen leiden – eine „neue ökologische Hegemonie innerhalb der Zivilgesellschaft“ (S. 378; Herv. i.O.) erstreiten, indem es eine ökologische und soziale „Gegenhegemonie auf der Grundlage sozialistischer Prinzipien“ (S. 378) errichtet.
Insgesamt belegt das Buch eindrucksvoll, welche analytische und aufklärerische Kraft der Ökomarxismus bis heute besitzt. Es ist darum um so bedauerlicher, dass er in den deutschsprachigen Staaten, wenn überhaupt, ein marginalisiertes Randdasein fristet.
Der ökologische Bruch. Der Krieg des Kapitals gegen den Planeten.
Laika Verlag, Hamburg.
ISBN: 978-3-942281-97-3.
496 Seiten. 39,90 Euro.