(K)ein Betriebsunfall der Demokratie

- Buchautor_innen
- Ingar Solty
- Buchtitel
- Trumps Triumph?
- Buchuntertitel
- Gespaltene Staaten von Amerika, autoritärer Staatsumbau, neue Blockkonfrontation
Wieso bringen die Krisen des globalen Kapitalismus Persönlichkeiten wie Trump hervor? Dieses Buch ist Warnung vor Autoritarismus, wie Werkzeug zur Aufklärung.
Mittlerweile ist auch in der deutschen Haus-und-Hof-Berichterstattung angekommen, dass die Regierung Trump 2.0 eine andere Nummer wird, als die erste Amtszeit des böse dreinblickenden, orangestichigen Präsidenten. Donald Trump sagte selbst von sich, er habe während seiner ersten Regentschaft von 2017 bis 2021 den ganzen Tag nur Fox News geschaut und keine Papiere gelesen, die länger als drei Seiten waren. Runde zwei hingegen ist eine von langer Hand vorbereitete Kampagne, für die sich Trump ein Unterstützernetzwerk aus Oligarchen aufgebaut hat, das seine Regierung zur reichsten der Welt macht.
Autoritäres Durchregieren mit mehr als 140 Dekreten, hemdsärmelige Drohungen, Grönland zu übernehmen und den Panamakanal zu besetzen, eine fast Komplettauflösung des Bildungsministeriums und zahlreicher weiterer Institutionen, angeordnet von Trumps rechtsextremer Hand Elon Musk (inzwischen bereits nicht mehr an Bord) sowie hunderte illegale Abschiebungen. Gleichzeitig werden viele der angekündigten Einfuhrzölle nach wenigen Tagen wieder eingestampft und der Ukraine-Krieg findet, anders als angekündigt, immer noch kein Ende. Also doch alles nur Theater?
Der Politikwissenschaftler Ingar Solty hat sich in seinem Buch „Trumps Triumph? Gespaltene Staaten von Amerika, autoritärer Staatsumbau, neue Blockkonfrontation“ zur Beantwortung der Frage die Politik und Ökonomie der USA der letzten zehn Jahre unter die Lupe genommen.
Wie konnte Trump an die Macht kommen?
Trump ist kein „Betriebsunfall“ der Demokratie. Weder bloße Dummheit der Wähler*innenschaft, noch eine Entwicklung nach rechts oder Faschisierung der US-amerikanischen Bevölkerung können seinen zweiten Sieg erklären. Solty beschreibt die USA als Gesellschaft des beschleunigten sozialen Abstiegs, bedingt durch
„eine starke Deindustrialisierung, den fundamentalen Sieg des Kapitals über die Gewerkschaften […] und die Finanzierung von Studien- und Ausbildungsgängen durch immens steigende Gebühren.“ (S. 34)
Barak Obamas Austeritätspolitik hatte diese Dynamik bereits befeuert und somit Trumps „Make America Great Again“ als Anrufung an eine vermeintliche Vergangenheit, in der der Amerikanische Traum vielen greifbar erschien, ermöglicht. Joe Bidens Sozialprogramm, die „Bidenomics“ scheiterte unter anderem an republikanischem und innerparteilichem Widerstand – und daran, dass er sich nicht traute, Trumps Senkungen von Kapital- und Spitzensteuersätzen rückgängig zu machen.
Vier Gründe nennt Solty für Trumps Sieg: Erstens verkörpere Trump die Unzufriedenheit mit der „business as usual“-Politik. Die Wähler*innenentscheidung war eher eine Anti-Demokraten-, als eine Pro-Trump-Wahl. Das unterstreiche auch die auf 62,2 Prozent zurückgegangene Wahlbeteiligung (von 65,9 Prozent bei den vorangegangenen Wahlen).
Zweitens setzten die Demokraten auf die falschen Themen. Während die wirtschaftliche Rezession und zunehmende Verarmung zentral für den Großteil der Bevölkerung war, bearbeitete Kamala Harris identitätspolitische anstatt Klassenfragen. Die drohende Faschisierung durch Trump, sowie die Abtreibungsfrage zogen nicht. Soltys Analyse folgend, „überließ sie [Trump] damit den populistischen Zorn über die unzumutbaren Verhältnisse“. (S. 21)
Auch fiel unter anderem Trumps „drill, baby, drill“-Motto auf fruchtbaren Boden, denn der „Benzinpreis ist der Brotpreis der USA“ (S. 32). Besonders in den Vorstädten und auf dem Land erzielte Trump hohe Wahlergebnisse. Die Wahl hatte also drittens eine starke räumliche Komponente. Insgesamt wachse, so der Autor, Trumps Zuspruch in der (migrantischen) Arbeiter*innenklasse, was aber aufgrund der geringen Wahlbeteiligung keinesfalls bedeute, dass ein Großteil der Arbeiter*innen ihn tatsächlich gewählt hätte.
Viertens entscheidet in Amerika das Geld: Seit einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA von 2010 können Milliardäre im Namen der Meinungsfreiheit unbegrenzte Gelder für Wahlkampf einsetzen. Das lässt die Kosten für Wahlkämpfe explodieren und strukturiert den Politiksektor: Ohne Geld kein Wahlkampf, ohne Spende an die Partei, kein Amt. Politische Ämter müssen erkauft werden. Trumps Oligarchen-Regierung ist ein Produkt dieses Systems.
Wird er an der Macht bleiben?
Auch die Schwäche der US-Linken wird als ein Grund für Trumps Sieg diskutiert. Von der Zerschlagung der Gewerkschaften und der versuchten Einhegung beziehungsweise Unterdrückung sozialistischer Bewegungen unter Bernie Sanders bei den Demokraten ausgehend, versucht Solty zu erklären, warum keine andere Politik bei den Wähler*innen verfing.
Während sich die Weltmächte neu sortieren und China Russland als Hauptfeind der USA ablöst, hat sich Trump ein Kabinett von Oligarchen und Superreichen zusammengesammelt, vom Corona-Leugner bis zum Sozialchauvinisten. Auch wenn Soltys Buch noch vor Trumps Amtsantritt erschien: Aus heutiger Perspektive lässt sich vieles, was er über den autoritären Staatsumbau der USA und eine neue Blockkonfrontation mit China beschreibt, bestätigen. Solty setzt aber ein Fragezeichen hinter „Trumps Triumph?“: Der Milliardär hat dem Großteil der Bevölkerung nichts Konkretes zu bieten. Seine Politik stützt sich auf Populismus, Nationalismus und Gewinne für die Reichen. Eine Vorschau auf die Auswirkungen von Trumps Politik gibt Solty noch nicht.
Die Politik der USA ist zentral, um die Neuordnung der Welt, in der sich auch die EU und Deutschland bewegen müssen, zu verstehen. Trump dabei bloß als sich überschätzenden Verrückten abzustempeln, wäre kontraproduktiv. Die deutsche und europäische Aufrüstung ist maßgeblich von den USA mitverursacht. Trumps aktuelles Hin und Her dient den Regierenden als Vorwand, die Bevölkerung aufgrund vermeintlicher Sicherheitsinteressen den Anfängen einer Austeritätspolitik zu unterziehen. Diese Narrative müssen Linke entlarven und erklären können.
Soltys Buch ist dafür eine große Hilfe. Wer die politischen und ökonomischen Bedingungen, unter denen Trump erneut zur Macht gelangte, verstehen will, kommt also an seiner Analyse nicht vorbei. Soltys Buch ist keine bloße Warnung vor dem nächsten autoritären Akt, sondern ein Werkzeug zur Aufklärung über die strukturellen Krisen des globalen Kapitalismus, die den Aufstieg von Figuren wie Trump überhaupt ermöglichen. Gerade in Europa, wo ähnliche Dynamiken beginnen, muss eine kritische Linke lernen, die ideologischen Nebelkerzen zu durchdringen – nicht zuletzt, um dem autoritären Populismus von rechts eine überzeugende soziale Alternative entgegenzustellen.
Trumps Triumph?. Gespaltene Staaten von Amerika, autoritärer Staatsumbau, neue Blockkonfrontation.
VSA Verlag.
ISBN: 978-3-96488-238-7.
120 Seiten. 12,00 Euro.