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Denn sie wissen nicht was sie tun

Buchautor_innen
Slavoj Zizek
Buchtitel
Denn sie wissen nicht was sie tun
Buchuntertitel
Genießen als politischer Faktor
Eine philosophisch-psychoanalytische Auseinandersetzung mit dem Genießen von "Populär-Kultur", das als politischer Faktor im ideologischen Diskurs entlarvt wird.

Der slowenische Philosophieprofessor Slavoj Zizek untersucht in einem Standardwerk die Rolle der dialektischen Aufhebung von Hegel, Lacan und Marx über Derrida und den späten Foucault - und verbindet dies mit dem Genießen, welches als in der Natur der Sache, allerdings vor allem auch im Sinne des Leidens betrachtet wird. Da kann einem schon mal schwindlig werden, aber keine Sorge, Zizek ist ein ausgezeichneter Leser, vor allem auch Erzähler, der problemlos auch mal scheinbar widersprüchliche Autoren zusammen denken kann.

These, Antithese, Synthese, so lautete lange Zeit das dialektische Dogma der Triade. Zizek besteht allerdings darauf, dass ein Dialektiker mindestens bis vier zählen sollte. Man könnte das nun mit einem Hitchcock-Film versuchen zu erklären, wie auch mit dem Wesen des Faschismus als Wesensmerkmal der liberalen Demokratie, als auch seines Antagonisten. „Um den Liberalkapitalismus tatsächlich zu negieren, muss man darum gerade die Negation negieren“, dies sei laut Hegel das paradoxe Moment, welches ein drittes ist, bereits im Übergang begriffen. Es wäre der Versuch des liberalen Kapitalismus durch den Übergang zum Faschismus, etwas zu verändern, dass sich nichts wirklich verändert (aus Angst vor einem freiheitlichen Sozialismus). Der Autor sieht die Filme (Hitchcock, Rosselini, Lynch) und versucht gelegentlich auch mehrere Sichtweisen des selben Plots zu interpretieren. Ganz schön clever, dieser letzte Lacanianer! Diese Art von Aufhebung sieht der Slowene auch bei den Dissidenten des ehemaligen realen Sozialismus ins Werk gesetzt. Sie brauchen geradezu den Stalinismus, einfach um zu beweisen das sie recht hätten, deswegen hätten sie auch nach dessen Fall keinerlei Bedeutung mehr gehabt. Der Übergang selbst hätte seine Protagonistinnen aufgehoben. Selbstreferentielle, in sich geschlossene Systeme wie das kapitalistische, müssten verschwinden, sich unsichtbar machen um nicht zu enden wie Don Quichotte: Der hätte sich von einem verrückten zu einem vernünftigen Menschen gewandelt, also „eine traumatische Erfahrung zu ‚gentrifizieren‘, ihre traumatische Auswirkung durch ihre Verwandlung in ein Moment bedeutsamer Totalität zu tilgen“. Der Kapitalismus als Meister der Transformation, des Schauspiels, wie in Fellinis Casanova, der sich vom voyeuristischen Botschafter eines Landes beobachten läßt in welches er gerne einreisen möchte, dennoch keine Gnade findet. Hier kommt Zizek mit der Interpretation Lacans „Der Jasager“ und „Die Maßnahmen“ von Brecht, die „große Pädagogik“, was diese mit dem phantasmatischen europäischen Blick auf Japan zu tun hätten. Die totale Aufopferung, einmal des japanischen Jungen, der andere ein junger Genosse der seine Maske zerreißt, bevor er seinem Opfertod in den Kalkgruben zustimmt. Gerade heute müsse man zu Brechts Lehrstücke zurückkehren. Zweifellos sind es gerade diese Umwege, welche die Originalität Zizeks ausmachen, leider bleibt sein anderes großes Thema, das des Genießens, sehr undeutlich zwischen den Zeilen hängen. Lacan jedenfalls, auf den sich der Autor immer wieder bezieht, muss sich da ausgekannt haben und zwar keineswegs nur in Form des Leidens, womit er eher beruflich als Psychoanalytiker zu tun hatte. Vielleicht sind aber nur Bilder (Kino, Kunst) und Texte (Literatur) gemeint, eine Form des Genießens über ein Medium, was zwar sinnvoll und durchaus ehrenwert wäre, dennoch etwas Ratlosigkeit hinterlässt. War es doch kein geringerer als Marx selbst, der Hegel auf den Kopf stellte: Die Philosophen hätten danach die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es komme darauf an sie zu verändern, die wahre Aufhebung.

Dennoch ist gerade diese Arbeit wohl vielleicht die wichtigste des Philosophen und Psychoanalytikers, die bereits im Titel auf den bekannten Film mit James Dean Bezug nimmt.

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Die Rezension erschien zuerst im Dezember 2008 auf stattweb.de (Update: kritisch-lesen.de, dpb, 12/2010)

Slavoj Zizek 2008:
Denn sie wissen nicht was sie tun. Genießen als politischer Faktor.
Passagen Verlag, Wien.
ISBN: 978-3-85165-846-0.
320 Seiten. 33,00 Euro.
Zitathinweis: Adi Quarti: Denn sie wissen nicht was sie tun. Erschienen in: . URL: https://kritisch-lesen.de/c/827. Abgerufen am: 29. 03. 2024 14:58.

Zur Rezension
Rezensiert von
Adi Quarti
Veröffentlicht am
01. Dezember 2008
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Zum Buch
Slavoj Zizek 2008:
Denn sie wissen nicht was sie tun. Genießen als politischer Faktor.
Passagen Verlag, Wien.
ISBN: 978-3-85165-846-0.
320 Seiten. 33,00 Euro.