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Das bisschen Reichtum…

Buchautor_innen
Julia Friedrichs
Buchtitel
Crazy Rich
Buchuntertitel
Die geheime Welt der Superreichen

Das Buch spricht über den Alltag und die Eigentumsverhältnisse des reichsten Prozents der Bevölkerung, vergisst aber die Systemfrage zu stellen.

Die Journalistin Julia Friedrichs erkundet in „Crazy Rich. Die geheime Welt der Superreichen“ Deutschlands mächtigste Parallelgesellschaft: die reichsten 0,1 Prozent. Rund 4.000 Haushalte, die zusammen geschätzte 1,5 Billionen Euro Vermögen besitzen – das Dreifache des gesamten Bundeshaushalts. Nicht der „next door millionaire“, wer kennt ihn nicht, sondern Menschen, die über mehrere hundert Millionen oder gar Milliarden verfügen.

Ihr Buch enthält insgesamt relativ wenig neue Informationen, ihr Verdienst ist es vielmehr, die wenigen vorhandenen Daten und Fakten akribisch recherchiert und in gut lesbarer Form zusammengetragen zu haben. Mit viel Hartnäckigkeit hat sie es geschafft, mehrere „Superreiche“ zum Gespräch zu treffen. Nicht nur geradezu klischeehafte Figuren wie den Capri-Sonne-Besitzer Hans-Peter Wild, der auf die Frage, ob eine zu große Ungleichheit nicht ungerecht sei, antwortet: „Ich halte das für eine rein akademische Frage, die stellt sich mir so nicht.“

Nein, Julia Friedrichs hat insbesondere einen Superreichen immer wieder getroffen, der sich kritisch mit Verteilungsfragen beschäftigt und gezielt ein möglichst einfaches Leben führt. Was in dieser Welt bedeutet, dass er sich selbst ein monatliches „Gehalt“ angelehnt an TVÖD 13 zahlt und den Rest spendet. Das Absurde ist, dass das ja mit Blick auf sein Herkunftsmilieu tatsächlich irgendwie löblich oder gar sympathisch ist, nur ist es eben vom Großteil der Gesellschaft ziemlich weit entfernt.

Insgesamt hält das Buch durchaus komische Momente bereit, aber natürlich ist die Thematik ganz und gar nicht zum Lachen. Da das Thema durchaus trocken werden kann, hat Friedrichs es immer wieder mit teils erwartbaren plakativen Aspekten angereichert, etwa Privatjets oder Superjachten sowie Beispielrechnungen. Zum Beispiel: Mit dem, was jährlich an Geld in den Betrieb von 6.000 Superjachten gesteckt wird, könnte auf einen Schlag der gesamte Globale Süden entschuldet werden. So weit, so vorhersehbar, aber das sei ihr nicht vorgeworfen. Solche Bilder und Rechnungen können helfen, Vermögen, die für den Großteil der Gesellschaft nicht mehr vorstellbar sind, fassbar zu machen. Ihre im Buch formulierte Kritik ist im Wesentlichen ebenfalls erwartbar. Sie fordert mehr Daten und Transparenz: Ein Staat, der weiß, wie viele Zahnbürsten ein*e Bürgergeld-Empfänger*in im Bad stehen hat, muss auch wissen, wer die Milliardäre sind, wie viele es davon gibt, wie hoch ihre Vermögen sind, wie viele Steuern sie zahlen und so weiter. Diese Informationen sollten der Öffentlichkeit und der Wissenschaft zur Verfügung stehen; natürlich unter Wahrung von Persönlichkeitsrechten.

Sie fordert außerdem deutlich höhere Steuern auf Vermögen, besonders auf sehr große Vermögen. Friedrichs hat als Autorin und Journalistin viel zum Thema „Einkommen vs. Vermögen“ gearbeitet, etwa in den Büchern „Working Class“ und „Wir Erben“. Sie unterscheidet vor allem zwischen denen, die zur Sicherung ihres Lebensunterhalts arbeiten müssen (auch wenn sie sehr hohe Einkommen haben), und denen, die allein von ihrem Vermögen bzw. dessen Erträgen leben können. Zu Recht weist sie immer wieder darauf hin, dass wenige Länder Arbeit so hoch und Vermögen so niedrig besteuern wie Deutschland, sowie darauf, dass die Schere zwischen Arm und Reich sich in den letzten Jahrzehnten ganz erheblich vergrößert hat und diese Entwicklung sich fortsetzen wird, wenn nicht endlich gegengesteuert wird. Was in solchen Argumentationen nicht fehlen darf: demokratietheoretische Erwägungen und der Bezug zur Klimakatastrophe. Erstere kreisen im Wesentlichen um die Frage „Wie viel Ungleichheit verträgt die Demokratie, in der doch jede Stimme gleich viel wert sein soll?“ und bleiben grundsätzlich auf dem Boden der lieben freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Letzterer betont, dass es keine Privatangelegenheit ist, wenn das reichste Prozent der Weltbevölkerung mehr CO2-Emissionen verursacht als die ganze ärmere Hälfte zusammen. Als mögliche Lösungen werden gezielte Besteuerung, CO2-Abgaben bzw. Emissionshandel sowie, zur sozialen Abfederung, Klimageld und Klimadividende vorgestellt. Der Markt soll es also letztlich regeln, das funktioniert ja immer gut.

Das gute alte Leistungsprinzip

Und das passt gut zur grundlegenden Kritik an diesem Buch: Es bewegt sich verlässlich im Rahmen des kapitalistischen Systems. Die Möglichkeit anderer Eigentumsverhältnisse in der Wirtschaft taucht nur einmal relativ weit hinten und geradezu verschämt auf. Die Frage nach einer Obergrenze für Reichtum sieht Julia Friedrichs letztlich vor allem als eine, die gesellschaftlich diskutiert werden muss. Immerhin. Und das Beharren darauf, dass Arbeit geringer besteuert werden muss, riecht letztlich auch verdächtig nach dem guten alten Leistungsprinzip, das nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird. Friedrichs erklärt selbst, vom Kapitalismus überzeugt zu sein, sie kritisiert nicht die Ungleichheit oder Ungerechtigkeit an sich, sondern nur deren Ausmaß. Wenn – wie in den 1980ern – ein Dax-Vorstand 14-mal so viel verdient wie ein*e durchschnittliche*r Arbeiter*in in seinem Betrieb, dann ist das schon okay; nur dass er mittlerweile 100-mal so viel bekommt, das ist ein Problem. Gleichzeitig muss mensch der Autorin zugutehalten, dass sie mit dieser Haltung tatsächlich in die berühmte Mitte der Gesellschaft vordringt. Ihre Bücher werden relativ breit rezipiert. Bei einem Thema, das immer noch im gesellschaftlichen Diskurs so unterbelichtet ist wie dieses, ist das kein kleines Verdienst. Mit knallharter Kapitalismuskritik würde ihr das wohl nicht gelingen. Das belegen auch die Besprechungen des Buches. Die sind insgesamt wirklich zum Heulen: Friedrichs muss sich zum Beispiel fragen lassen, ob sie denn nun Enteignungen wolle. Ob sie nicht nur eine Neiddebatte anzettle. Immerhin diesen Vorwurf hat sie bis in SZ und FAZ hinein zu entkräften vermocht, und das ist keine Kleinigkeit.

In diesen Besprechungen zeigt sich ganz gut, wie mächtig „die Superreichen“ eben tatsächlich sind und wie sehr die Diskurse in Schieflage geraten sind. Vermutlich hat jede*r in diesem Land schon von Bürgergeldempfänger*innen gehört, die angeblich nicht arbeiten wollen und denen deshalb die Leistungen gekürzt werden sollen; fordert eine*r aber eine gerechtere Besteuerung großer Vermögen, wird reflexartig das Gespenst der Enteignung beschworen. Wer sich schon länger mit den Themen Ungleichheit und Ungerechtigkeit beschäftigt, wird hier nicht viel Neues erfahren, und die Weigerung, das System in Frage zu stellen, kann beim Lesen erheblich frustrieren. Aber es liest sich gut und vermutlich ist vielen Menschen für den Moment mehr als genug damit zugemutet. Gerade angesichts meritokratischer und sozialchauvinistischer Diskurse braucht es solche Bücher, die vorhandenes Wissen zusammentragen, bündeln und in eine Argumentation bringen, die bürgerliche Milieus überzeugen kann. Ein Buch, das man gut verschenken kann – ein bisschen mehr Systemkritik und Aufzeigen von tatsächlichen Alternativen wäre dennoch schön gewesen.

Julia Friedrichs 2024:
Crazy Rich. Die geheime Welt der Superreichen.
Piper Verlag, Köln.
ISBN: 978-3-8270-1512-9.
384 Seiten. 24,00 Euro.
Zitathinweis: Andrea Wierich: Das bisschen Reichtum…. Erschienen in: Erbe(n). 75/ 2025. URL: https://kritisch-lesen.de/s/yQSan. Abgerufen am: 29. 04. 2025 20:37.

Zum Buch
Julia Friedrichs 2024:
Crazy Rich. Die geheime Welt der Superreichen.
Piper Verlag, Köln.
ISBN: 978-3-8270-1512-9.
384 Seiten. 24,00 Euro.
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