„Wir wollen die Vereinigung der Klasse erreichen“
- Interviewpartner_innen
- Interview mit Maria Galvão und Joshua Relko von der Kommunistischen Partei
Seit diesem Sommer befindet sich die Kommunistische Partei in ihrer Neugründung und sucht nach revolutionären Strategien, um den Sozialismus zu erkämpfen. Die objektiven Voraussetzungen dafür sind längst gegeben.
kritisch-lesen: Unser Anliegen mit dieser Ausgabe ist es, über linke Bündnisse nachzudenken: Eine Krise folgt auf die nächste, und uns fehlen größere Bewegungszusammenhänge, in denen man als linke Person das Gefühl hat, dass sich wirklich etwas in eine progressive Richtung bewegt. Kann eine neue Kommunistische Partei dem etwas entgegensetzen?
Joshua Seit Juni diesen Jahres sind wir als Kommunistische Partei (KP) aktiv, davor waren wir die Kommunistische Organisation (KO). Schon seit Gründung der KO war unser Hauptziel der Aufbau einer revolutionären Partei der Arbeiterklasse in Deutschland, aktualisiert für die heutigen Erfordernisse. Die Partei soll in der Lage sein, den Klassenkampf anzuführen, um den Sozialismus zu erkämpfen. Unser Ansatz ist dabei klassisch revolutionär: Wir streben einen Bruch mit dem bestehenden System an. Das bedeutet sowohl Zerschlagung des bürgerlichen Staates als auch Enteignung der Bourgeoisie.
Die KO wurde 2018 gegründet. Wie kam es dazu?
Joshua Der Kern der Gruppe, die das Projekt ins Leben gerufen hat, stammt aus Zusammenhängen der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ). Schon innerhalb dieser Organisationen gab es Diskussionen über die strategische Ausrichtung, die sich ab 2016 intensiviert haben. In der SDAJ konzentrierten sich diese Debatten vor allem auf die Frage des eigenen Organisationsverständnisses. Wie definiert sich die Organisation selbst, welche Anforderungen werden an die Mitglieder gestellt und welche Aufgaben sieht man als zentral an? In diesem Zusammenhang haben sich diejenigen, die später die KO gründeten, kritisch gegenüber der antimonopolistischen Strategie der DKP positioniert. Diese Strategie geht von einem Zwischenstadium aus, das als „antimonopolistische Demokratie“ bezeichnet wird. Die KO dagegen vertritt die Position, dass es keine solchen Zwischenstadien geben kann. Die Arbeiterklasse und die Kommunistische Partei müssen direkt auf den Sozialismus hinarbeiten. Entweder herrscht die Arbeiterklasse oder das Kapital. Es gibt keine Zwischenlösungen oder Kompromisse, wo beide sich die Macht teilen.
Die objektiven Voraussetzungen für den Sozialismus sind längst gegeben. Die Produktivkräfte sind weit entwickelt und die Arbeiterklasse ist vollständig ausgebildet. Die Gesellschaft wird maßgeblich von zwei antagonistischen Klassen bestimmt: der Bourgeoisie und der Arbeiterklasse. Im Klassenkampf von unten ist die Lage allerdings eine andere, und genau hier setzt unsere Kritik an. Wir haben damals eine strategische Diskussion innerhalb der bestehenden Strukturen der DKP und SDAJ angestoßen. Leider fehlte es dort aber an der Bereitschaft zur kritischen Auseinandersetzung. Für uns war es jedoch essenziell, sich auch mit grundsätzlichen Fragen zu beschäftigen, wie beispielsweise warum der real existierende Sozialismus gescheitert ist. In der SDAJ waren wir eine starke Minderheit, aber eben trotzdem eine Minderheit. Wir befanden uns in einer Situation, in der sich beide Seiten nur gegenseitig blockieren konnten. Es stellte sich also immer klarer heraus, dass dies keine Zukunft hatte; und so entschieden wir uns, organisiert aus der SDAJ auszutreten. Ende 2017 kam es dann zum Austritt von etwa 80 Genoss*innen sowohl aus der SDAJ als auch aus der DKP.
2018 gründeten wir die KO. Obwohl der Impuls für die Gründung der KO vor allem aus den Debatten innerhalb der SDAJ und DKP kam, war sie von Anfang an eine eigenständige Organisation, die demokratisch-zentralistisch organisiert ist, also kein loser Zusammenschluss von lokalen Gruppen war.
In welchen Kernpunkten unterscheidet ihr euch nun von der DKP?
Joshua Wie gesagt, liegt der Hauptunterschied zwischen uns und der DKP in der strategischen Ausrichtung. Während die DKP auf eine Etappenstrategie setzt, bei der die Partei sich als Teil einer progressiven Bewegung gegen die Herrschaft der Monopole versteht, vertreten wir die Auffassung, dass die sozialistische Revolution direkt vorbereitet werden muss, ohne Zwischenstufen. Diese strategische Ausrichtung hat mehrere Konsequenzen, darunter auch die Bündnisfrage. Die DKP sieht sich als Teil einer breiteren Bewegung gegen die Monopole – sprich: gegen die Konzerne und Banken; während wir den Kampf Klasse gegen Klasse auf die Tagesordnung setzen, der von der Partei eine Avantgarde-Rolle erwartet. Unsere Partei folgt daher den Prinzipien der Partei neuen Typs, wie sie von den Bolschewiki entwickelt wurden und auf die sich einige kommunistische Parteien auch heute noch berufen.
Ein weiterer Punkt, in dem wir uns unterscheiden, ist die Frage des Imperialismus. Wir sehen die Welt als ein imperialistisches Weltsystem, in dem alle kapitalistischen Länder miteinander in Konkurrenz stehen, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Es ist nicht so, dass die USA und Griechenland auf Augenhöhe konkurrieren, aber es sind beides kapitalistische Staaten, in denen eine nationale Bourgeoisie herrscht, die wir also nicht in „Unterdrücker“ und „Unterdrückte“ sortieren können. In jedem kapitalistischen Land muss die sozialistische Revolution auf der Tagesordnung stehen.
Im Gegensatz dazu vertritt die DKP eine Position, die von einer Unterscheidung zwischen Unterdrücker- und unterdrückten Ländern ausgeht, wobei sie sich auf Lenin bezieht. Lenin sprach allerdings von Kolonien und Kolonialmächten, eine Situation, die heute in dieser Form kaum noch existiert. Ein aktuelles Beispiel für diese Differenz ist die Haltung der DKP zum Ukraine-Krieg. Die DKP nimmt grundsätzlich eine prorussische Position ein und sieht die NATO als alleinigen Aggressor, während Russland sich nur verteidige; sie trifft ihre Positionierung also fälschlicherweise anhand der Frage, wer Angegriffener und wer Aggressor ist. Wir hingegen sehen das anders und halten es für falsch, Russlands Einmarsch nicht abzulehnen. Dies ist ein wesentlicher Punkt, an dem sich unsere Positionen unterscheiden.
War die KO von Anfang an darauf ausgelegt, sich in einer Parteistruktur zu organisieren?
Maria Wir hatten uns in der KO von Anfang an vorgenommen, eine neue Kommunistische Partei in Deutschland aufzubauen. Allerdings war uns nicht ganz klar, wie dieser Prozess konkret aussehen sollte. Wir hatten uns zunächst darauf konzentriert, wichtige Fragen der kommunistischen Bewegung zu klären und wussten nicht genau, wann wir bereit sind für eine Parteigründung. Das führte zu einer gewissen Mystifizierung der Parteigründung, als müssten wir zuerst alle inhaltlichen Fragen geklärt haben. Die Parteigründung rückte aber in immer weitere Ferne, wenn wir weiterhin davon ausgegangen wären, dass die Partei das Resultat eines langen Klärungsprozesses sein müsste, anstatt zu erkennen, dass sich die Partei nach ihrer Gründung noch weiterentwickeln kann. Der Aufbau der Partei ist kein abgeschlossener Akt, sondern ein fortlaufender Prozess. Außerdem haben uns der Krieg in der Ukraine, die zunehmende reaktionäre Entwicklung in Deutschland und Ereignisse wie der Völkermord in Gaza bewusst gemacht, dass wir es uns nicht leisten konnten, jede Frage innerhalb der kommunistischen Bewegung bis ins letzte Detail zu klären, bevor wir den nächsten Schritt gehen. Die KP ist nicht etwas, das erst gegründet wird, wenn die Massen hinter uns stehen.
Setzt ihr euch mit der Parteigründung nicht den Zwängen des etablierten Parteisystems aus? Habt ihr Strategien, wie er damit umgeht? Warum ist es so wichtig, eine Partei zu sein?
JoshuaWas Wahlen betrifft, ist es wichtig, dass wir uns klar von den bürgerlichen Parteien und von einer traditionellen Wahlstrategie abgrenzen. Wir sehen Wahlen nicht als zentrales Mittel, um die gesellschaftlichen Verhältnisse zu verändern. Es geht nicht darum, dass die Partei irgendeine Regierung stellt, sondern es geht darum, dass sie den Klassenkampf anführt, um den Kampf gegen den bürgerlichen Staat zu gewinnen. Diese Unterscheidung ist zentral. Oft wird gefragt, warum wir uns als Partei bezeichnen und nicht einen anderen Begriff wählen. Die Partei soll eine Kraft sein, die die Interessen der gesamten Arbeiterklasse repräsentiert. Es geht nicht nur darum, eine Jugendorganisation oder eine gewerkschaftliche Gruppe zu sein, sondern darum, die verschiedenen Kämpfe der Arbeiterklasse unter einem Dach zu vereinen und eine Führungsrolle in diesen Kämpfen zu erlangen. Unsere Partei soll der Ort sein, an dem sich diese unterschiedlichen Teile der Klasse sammeln, um gemeinsam den Kampf voranzutreiben.
Maria Die verschiedenen Teilkämpfe müssen vereint werden, um der Arbeiterklasse eine höhere Schlagkraft zu verleihen. Nur so können diese Kämpfe effektiv geführt und letztendlich erfolgreich sein. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es aus unserer Sicht eine Partei, die in der Lage ist, diese Kämpfe zu koordinieren und zu leiten. Das ist der Kern unseres Verständnisses einer revolutionären Partei.
Was die Frage der Wahlen betrifft, ist es wichtig zu betonen, dass eine kommunistische Partei im Sinne des Marxismus-Leninismus keinesfalls ein reiner Wahlverein ist. Wahlen können jedoch als Plattform genutzt werden, um unsere Inhalte und Ziele bekannter zu machen und die Lage der Arbeiterklasse zu beleuchten. Unsere Vorstellung von einer Partei, insbesondere als Kaderpartei und Organisation der Arbeiterklasse, wird von einem revolutionären Programm geleitet. Dieses Programm gibt die Richtung des Klassenkampfes vor. Wahlen können in diesem Verständnis also nur ein taktisches Mittel sein, keineswegs aber das Ziel unserer Partei.
JoshuaIch möchte zwei Punkte ergänzen. In Bezug auf die finanziellen Mittel: Wir streben nicht danach, Gelder vom Staat oder anderen Institutionen zu erhalten. Es ist entscheidend für unseren Kampf gegen diesen Staat, dass wir unabhängig bleiben.
Das andere ist die Handlungsfähigkeit der Partei: Wir befinden uns derzeit in einer legalen Situation, was vorteilhaft ist, doch wir müssen uns bewusst sein, dass sich diese Bedingungen ändern können. Der Kampf wird jedoch nicht enden und auch die Organisation innerhalb der Partei darf nicht stagnieren. Historisch hat sich gezeigt, dass Parteien auch unter illegalen Bedingungen weiterhin aktiv sein können und müssen.
Die Frage nach der instrumentellen Nutzung beispielsweise von finanziellen Mitteln ist natürlich eine heikle Angelegenheit, weil man schnell in einer Abhängigkeit landet.
JoshuaJa, also wenn wir bei Wahlen über 1 Prozent kommen, werden die Wahlkampfkosten erstattet. Das heißt, an einem bestimmten Punkt wird der Staat möglicherweise selbst Finanzhilfen anbieten. Aber der politisch relevante Punkt ist, dass wir nicht darauf hinarbeiten, Geld vom Staat zu bekommen.
Wir wollen gerne von den Ideen zu den Aktionen kommen. Welche Aktionen zeichnen eure politische Arbeit aus?
MariaAktuell sind wir in der Palästinaarbeit sehr aktiv. Dies ist ein wichtiger Bestandteil unserer Massenarbeit, in der wir mit Teilen der Bevölkerung und der Arbeiterklasse anhand spezifischer Interessen zusammenarbeiten. Darüber hinaus machen wir politische Arbeit in Betrieben, sind also in Gewerkschaften aktiv. Es muss dazu gesagt werden, dass das aktuell keineswegs entfaltet ist und aktive Betriebsarbeit noch nicht die zentrale Rolle spielt. In der Vergangenheit haben wir auch viel Stadtteilarbeit gemacht. Aktuell werten wir diese Art der Arbeit aber kritisch aus, da unsere anfänglichen Erwartungen möglicherweise zu hoch waren und sich Fortschritte nur langsam einstellten. Ein weiterer Schwerpunkt war im letzten Jahr unsere Solidarisierungskampagne „Nieder mit dem Krieg“ gegen den Ukraine-Krieg.
Joshua In der Gewerkschaftsarbeit treten wir oft nicht unter der KP-Fahne auf, sondern handeln als Gewerkschafter*innen. Viele von uns gehen einer Lohnarbeit nach und sind in Betrieben tätig. Dort versuchen wir, gewerkschaftliche Aktivitäten mit unserer politischen Arbeit zu verbinden. Einige unserer Genoss*innen – bislang leider nur vereinzelt – sind sehr aktiv in Tarifkämpfen, sei es in ihren eigenen Betrieben oder in ihrer Branche, und engagieren sich in Vertrauensgremien, Betriebsräten oder Jugend- und Auszubildendenvertretungen. Dabei achten wir darauf, nicht der Illusion zu verfallen, die oft von Gewerkschaftsführungen oder sozialdemokratischen Kräften verbreitet wird: dass allein durch Streiks oder gewerkschaftlichen Druck die Lage der Arbeiterklasse entscheidend verbessert werden könnte. Wir stehen massiven Angriffen des Kapitals gegenüber, und oft hinken selbst gewerkschaftliche Forderungen der Realität hinterher, siehe Inflation. Unser Ziel ist es, gewerkschaftliche Kämpfe in eine kämpferische, systemkritische Richtung zu lenken. Im Gespräch mit Kolleg*innen, besonders wenn man sich ein gewisses Vertrauen erarbeitet hat, versuchen wir, die Diskussion auf die grundsätzlichen systemischen Fragen zu lenken.
Im Bereich der Stadtteilarbeit haben wir in der Vergangenheit selbstinitiierte Projekte durchgeführt. Diese basierten auf direkter Organisierung der Anwohner*innen: Man setzte sich zusammen, um alltägliche Probleme zu besprechen und anzugehen – sei es Unterstützung bei Hausaufgaben, Behördengängen oder anderen praktischen Angelegenheiten. Ziel war es, eine Form von Kollektivität zu schaffen und Menschen aus ihrer Isolation zu holen. Mit der Zeit nutzten wir diese Räume, um auch politische Fragen zu diskutieren: Warum sind die Lebensbedingungen so schlecht und was sind unsere kommunistischen Antworten darauf? Auf Augenhöhe mit Anwohner*innen zu arbeiten, sehen wir als eine wichtige Grundlage unserer politischen Praxis.
MariaUnsere Stadtteilarbeit wie jeder unserer Ansätze von Massenarbeit basiert auf drei Prinzipien: Aktivität, Unabhängigkeit und Solidarität. Ziel ist es, dass die Menschen selbst aktiv werden und selbst die Grenzen des Systems erkennen, was sie dazu bringen soll, über grundlegende gesellschaftliche Probleme nachzudenken. Unabhängige Strukturen spielen dabei eine zentrale Rolle, denn sie ermöglichen den Menschen, sich gegenseitig, also solidarisch, zu unterstützen und zu erfahren, was sie selbst leisten können.
JoshuaGleichzeitig wollen wir von Anfang an mit einer klaren politischen Linie agieren, und als KP ermitteln, welche Positionen richtig sind.
Wie geht ihr mit den Widersprüchen um, wenn unterschiedliche Vorstellungen und Lebensrealitäten aufeinandertreffen?
MariaTeilweise muss man diese aushalten. Ein zentraler Bestandteil unserer Arbeit ist die Offenheit und Eigenständigkeit in Diskussionen und Debatten. Unser Ansatz war immer, dass alle Beteiligten die Möglichkeit haben sollten, ihre Sichtweisen frei einzubringen, ohne dass zuvor Vorgaben gemacht werden, welche Positionen akzeptabel sind. Dieser Ansatz fördert eine gemeinsame Lernkurve und stärkt das kollektive Bewusstsein.
Uns ist dabei jedoch auch klar geworden, dass es ein gewisses Ungleichgewicht zwischen unserer Stadtteil- und der betrieblichen Arbeit gab. Die Stadtteilarbeit war für uns ein wichtiger Ansatz, um Menschen in ihrem unmittelbaren Umfeld zu organisieren und gegenseitige Unterstützung zu bieten. Dabei ging es darum, den Menschen im Alltag zu helfen, Vertrauen aufzubauen und ihre Probleme gemeinsam anzugehen. Diese Art von Basisarbeit hat uns wertvolle Erfahrungen gebracht, besonders in der Form, wie wir Kollektivität und Solidarität im Alltag schaffen können. Allerdings hat währenddessen die Arbeit in den Betrieben nicht die notwendige Priorität erhalten. Betriebe sind zentrale Schauplätze des Klassenkampfes. In den großen Betrieben sind die Massen der Arbeiter*innen konzentriert, und dort gibt es die stärksten Möglichkeiten, durch kollektive Aktionen Druck auf den Klassenfeind auszuüben. Insbesondere in einer zugespitzten Phase des Klassenkampfes spielen diese Betriebe eine entscheidende Rolle, da sie das Potenzial haben, durch Streiks und andere Formen des Arbeitskampfes den größten wirtschaftlichen Schaden für das Kapital zu verursachen.
Wie stellt man eine gemeinsame politische Grundhaltung her?
MariaIn unserer Arbeit unterscheiden wir klar zwischen der Massenarbeit und der Parteiarbeit. In der Massenarbeit treten wir als Gleichberechtigte auf, insbesondere gegenüber Unorganisierten. Hier geht es darum, in Diskussionen das Klasseninteresse herauszuarbeiten und auf der Basis unserer Prinzipien zu agieren. Ein gutes Beispiel dafür ist die Palästinaarbeit, in der immer wieder die Religionsfrage aufkommt. Während sich manche linke Gruppen rausziehen, sobald religiöse Bezüge auftauchen, akzeptieren wir, dass manche Menschen aus religiösen Motiven teilnehmen. Das Wichtige ist, dass sie aktiv dabei sind.
Im Gegensatz dazu streben wir auf Parteiebene größtmögliche Einheit in der Weltanschauung an. Wir vermeiden in der Regel klassische Organisationsbündnisse, wie man sie oft bei Demonstrationen oder Events sieht, bei denen linke Gruppen einen gemeinsamen Aufruf erstellen und ihre Logos daruntersetzen. Das ist nicht unser Ansatz. Es gibt jedoch Ausnahmen, wie etwa die Solidaritätskampagne zum Ukrainekrieg, die wir letztes Jahr initiiert haben. In diesem Fall haben wir mit anderen kommunistischen Gruppen zusammengearbeitet, was für uns einen wichtigen Unterschied darstellt im Vergleich zu Bündnissen mit bürgerlichen Parteien. Mit Parteien wie den Grünen würden wir beispielsweise keine Zusammenarbeit eingehen – auch nicht bei einem Protest gegen einen Naziaufmarsch.
Für uns gilt das Prinzip: Einheit darf niemals auf Kosten der Klarheit entstehen. Auch intern gibt es deshalb immer Raum für Diskussion. Unsere programmatischen Grundlagen sind die Richtschnur unserer Arbeit – die gleichzeitig offene Debatte, die der Demokratische Zentralismus festschreibt, hilft uns, Positionen weiterzuentwickeln.
Können eure Strategien auch in einen anderen Maßstab gebracht werden?
JoshuaDer internationale Raum ist für uns total wichtig, schließlich ist die Arbeiterklasse eine internationale Klasse, die gemeinsame Interessen verfolgt. Das ist das, was wir in unseren konkreten Kämpfen vermitteln wollen. Egal woher die Leute kommen, müssen wir zusammen kämpfen. Ein Beispiel für unsere internationale Solidaritätsarbeit ist die angesprochene Kampagne, die wir im vergangenen Jahr initiiert haben, sowie in diesem Jahr eine Spendenkampagne für die Palästinensische Kommunistische Partei. Es ist extrem wichtig, Diskussionen über strategische Ansätze innerhalb dieser Bewegung zu führen. In allen kapitalistischen Ländern steht der Kampf für den Sozialismus an. Ein bekanntes Forum für solche Diskussionen ist das internationale Treffen kommunistischer und Arbeiterparteien. Besonders interessiert sind wir am Austausch mit Parteien, die uns ideologisch nahestehen und ähnliche revolutionäre Strategien verfolgen. Dazu zählt auch die Europäische Kommunistische Aktion, die die vorherige Europäische Kommunistische Initiative abgelöst hat und die wir als zentrale Kraft des kommunistischen Wiederaufbaus in Europa betrachten. Darüber hinaus tauschen wir uns mit verschiedenen Organisationen und Parteien aus, um unsere jeweilige Situation sowie strategische Fragen zu besprechen. Bei unseren bundesweiten Events haben wir regelmäßig internationale Gäste eingeladen.
Was sind eure Visionen?
JoshuaNatürlich: eines Tages die sozialistische Revolution. Und bis dahin eine starke Kommunistische Partei in Deutschland. Wir erarbeiten gerade das Programm für unsere Partei. Auch das Thema Bündnisse wollen wir in Zukunft offen diskutieren. Wir werden verschiedene Angebote schaffen und auch andere Gruppen, andere Einzelpersonen einladen, dieses Programm mit uns zu diskutieren, daran Kritik zu äußern. Das wird eine wichtige Grundlage für diese Partei werden. Das Programm steht nicht nur auf dem Papier – es gilt auch, das Programm in die Tat umzusetzen. Auf der theoretischen Ebene und für unsere Analysen bedeutet das auch, dass wir uns gewissermaßen in Forschungsarbeit begeben. Das machen wir konkret in Arbeitsgruppen, an die sich teils öffentliche Diskussionen anschließen.
MariaWir wollen als Partei die Vereinigung der Klasse erreichen. Dafür muss man auch versuchen, alle Spaltungslinien innerhalb der Arbeiterklasse zu verstehen. Deswegen beschäftigen wir uns jetzt auch verstärkt mit der Frauenfrage und versuchen, dem Einfluss der bürgerlichen Ideologie dabei etwas entgegenzusetzen.
Darüber hinaus werden wir unsere praktischen Ansätze weiterentwickeln, die Erfahrungen in der Massenarbeit vertiefen, vor allem die gewerkschaftliche. Wir wollen weiterhin in ideologische Auseinandersetzung treten und sind immer dafür, dass man Kritik konstruktiv äußert, aber offen und ehrlich äußert und nichts zurückhält aus falscher Wohlfühlatmosphäre.
Das Interview führten Theresa Hanske und Sascha Kellermann.
Kommunistische Partei ging im Sommer 2024 aus der Kommunistischen Organisation hervor und befindet sich nun in einem zweijährigen Gründungsprozess mit dem Ziel, sich mit der Klassenanalyse, der revolutionären Strategie, der Fragen nach der Unterdrückung der Frau und des sozialistischen Aufbaus in Deutschland auseinanderzusetzen.