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So macht Kommunismus Spaß

Buchautor_innen
Bettina Röhl
Buchtitel
So macht Kommunismus Spaß!
Buchuntertitel
Ulrike Meinhof, Klaus Rainer Röhl und die Akte Konkret

Bettina Röhl beschreibt aus sehr subjektiver Sicht die Zusammenarbeit ihrer Eltern untereinander und mit der ehemaligen DDR.

Für frühere Bettina-Röhl-Konsumenten zwei gute Nachrichten: Die erste: Der Hirntumor, der laut früheren Bettina-Veröffentlichungen sowohl die Kolumnen in KONKRET geschrieben wie nachher geschossen hat, ist spurlos getilgt.

Die zweite: Nicht alle sechshundert Seiten stammen von Frau Röhl. Viele enthalten Dokumente von fremder Hand und sind daher von gewissem Interesse.

Im Einzelnen: Bettina Röhl, eine der Zwillingstöchter Ulrike Meinhofs, überliefert ausführlich Briefe und Flugblätter der Bewegung “Kampf dem Atomtod”. Man hat doch viel vergessen, was hier wieder aufgetischt wird. Außerdem hat sie in den Archiven der ehemaligen DDR eine Akte gefunden, die den Schriftwechsel mit der Zeitschrift KONKRET und sonstige Dokumente über Meinhof/Röhl enthält. Aus diesen ist zu entnehmen, dass die DDR - bzw. die dort ansässige Exil-KPD - der Zeitschrift KONKRET jahrelang beträchtliche Summen bezahlt hat - sie ausgehalten, wie der Fachausdruck zu lauten hat. In den Hoch-Zeiten waren jeden Monat vierzigtausend DM fällig. Das wusste man schon aus Röhls Memoiren ”Fünf Finger sind keine Faust”.

Tochter Bettina gerät darüber in Ekstasen der Empörung. Sie erwähnt nebenbei, dass Lasky seine Zeitschrift MONAT mit CIA-Geldern finanzierte, was sie aber nicht weiter erregt. Darüber hinaus vergisst sie, dass auch heute kaum eine literarische oder politische Zeitschrift sich aus Abos und Reklameeinnahmen selber trägt. Die meisten werden inzwischen von Verlagen oder Gruppierungen getragen - und niemand kümmert's groß. Da Bettina Röhl den Tumor aus dem Verkehr gezogen hat, gibt es keine Begründung für den angeblichen oder wirklichen Wandel Ulrike Meinhofs. Ihr Leben wird bis zur Ehescheidung genau beschrieben, dann nur noch pauschal referiert. Kennzeichnend, dass Autoren, die vorher über Ulrike Meinhof gehandelt hatten, nicht vorkommen. Peter Brückners Buch, das noch in Meinhofs Todesjahr entstanden war, entfällt bei Bettina Röhl, obwohl gerade dieses Werk - bei WAGENBACH erschienen - Gegenstand erbitterten Streits gewesen war. Die brave Tochter versucht, Papa Röhl am Ende seines Lebens herauszuhauen. Der hatte einen schlechten Stand, und viele damals meinten, dass die Ehezeit mit Röhl unbedingt bei der Strafzumessung hätte angerechnet werden müssen.

Wider ihre Absicht bestätigt Bettina Röhl selbst dieses Gutachten. Röhl senior verrät ihr im Interview, wie er nach der Abnabelung vom DDR-Geld die Sache sah im Jahre 64, zur Zeit der Kampagne “Kampf dem Atomtod” und des Einsatzes für die DFU, zu Beginn des Aufstiegs von KONKRET als führende Links-Zeitschrift..

“Ich wusste noch nicht, wie ich die neue Zeitschrift gestalten wollte. Mich kümmerte die Politik von Ulrike mit den ganzen Friedenstanten, Mochalski, Niemöller und dem ganzen Kram nicht die Bohne, also ich dachte: das liest kein Mensch…Auch hatte ich da noch so einen kleinen Nebenjob. Ich übersetzte den damals weltweit für Aufsehen sorgenden schwedischen Sexroman “491” ins Deutsche, der hier vor allem von den, wie man heute sagen würde, links Aufgeklärten gelesen wurde” (S. 426).

Destillierter Opportunismus, entschlossene Gleichgültigkeit gegenüber dem Gegenstand - kann man es noch deutlicher aussprechen? Bettina Röhls eigener Beitrag: Packende Mimikry eines Gemeinschaftskundeunterrichts der fünfziger Jahre. Da fehlt nichts: das fleißige Unterwandern der BRD durch die DDR, die bedauernden nachträglichen Tipps an die Bundesregierung, wie sie der DDR so manchen Treffer hätte vereiteln können durch Eigentätigkeit.

Ihr bester Vorschlag: Die Regierung hätte doch selbst ihre Nazivergangenheit aufdecken können, das hätte allen Braunbüchern den Wind aus den Segeln genommen. - Dass Globke, Oberländer, Sawade und all die anderen einfach nicht auf die Idee kamen, in Ostberlin um ihre fällige Gefangennahme und Bestrafung zu bitten!

Enthüllend ihre Rechtfertigung der Notstandsgesetze: die Drohung mit einem Ostangriff sei natürlich eine billige Ausrede gewesen. Aber die Gefahr eines Generalstreiks, die war doch immerhin real. Kein Wunder, dass die Gewerkschaften damals nicht mitzogen: Sie mussten vorbeugend niedergehalten werden, wie Bettina Röhl zustimmend meint.

Wen Ulrike Meinhofs politische Ansichten interessieren, kann sich dieses Buch sparen. Er erfährt darin nur, was ihre Tochter heute noch als Skandal empfindet. Wer den Wegen des Ressentiments folgen möchte und seiner Verkleidung als Politik, kommt auf seine Kosten.

PS. Einer Falschmeldung über Meinhofs Ziehmutter Riemeck sollte niemand aufsitzen. Um sie als Mannweib zu denunzieren, behauptet die Autorin, sie habe in der Öffentlichkeit nie einen Rock getragen. Ich sah sie selbst beim Gründungskongress der Aktion Demokratischer Fortschritt 1969. Da trug sie vor aller Augen einen Rock und endete ihren Aufruf mit den Worten Kants ”Es gibt nichts Gutes, es sei denn ein guter Wille”. An dieser Art aussichtslosem Idealismus als Kommunismus geht Bettina Röhls Darstellung so völlig vorbei wie an dem willensbetonten ihrer Mutter.

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Die Rezension erschien zuerst im April 2006 auf stattweb.de (Update: kritisch-lesen.de, ps, 12/2010)

Bettina Röhl 2006:
So macht Kommunismus Spaß!. Ulrike Meinhof, Klaus Rainer Röhl und die Akte Konkret.
Europäische Verlagsanstalt , Hamburg.
ISBN: 978-3-434-50600-3.
677 Seiten. 29,80 Euro.
Zitathinweis: Fritz Güde: So macht Kommunismus Spaß. Erschienen in: . URL: https://kritisch-lesen.de/s/5rFXo. Abgerufen am: 03. 12. 2024 18:31.

Zur Rezension
Rezensiert von
Fritz Güde
Veröffentlicht am
01. April 2006
Eingeordnet in
Schlagwörter
Zum Buch
Bettina Röhl 2006:
So macht Kommunismus Spaß!. Ulrike Meinhof, Klaus Rainer Röhl und die Akte Konkret.
Europäische Verlagsanstalt , Hamburg.
ISBN: 978-3-434-50600-3.
677 Seiten. 29,80 Euro.