Race is the factor
- Buchautor_innen
- Vikas K. Gumbhir
- Buchtitel
- But is it Racial Profiling?
- Buchuntertitel
- Policing, Pretext Stops, and the Color of Suspicion
Anhand einer Studie in Eugene, Oregon, wird aufgezeigt, dass es sich bei Racial Profiling um ein USA-weites Phänomen handelt.
Vikas K. Gumbhir untersucht das Problem des Racial Profiling anhand der kleinen als liberal geltenden Universitätsstadt Eugene (Oregon, USA). Das Buch „But is it Racial Profiling?“ ist das Ergebnis einer umfassenden und intensiven empirischen Feldforschung, das nicht wie hierzulande üblich mit dem Referieren vorhandener Definitionen beginnt. Das soziologisch-kriminologische Phänomen wird durch die Geschichte John Gainers eingeführt. Dieser ist Professor an der Oregon University und wurde im April 1997 und im Dezember 1998 Zielscheibe polizeilicher Kontrollen – dies geschah aus Sicht des African-American aus rassistischen Gründen. Seine Geschichte hatte in den Medien große Wellen geschlagen, denn Gainer hatte die Polizei wegen Verletzung seiner Bürgerrechte verklagt. Seine Klage wurde abgewiesen. Gumbhir berichtet anschließend von drei weiteren Geschichten aus anderen Bundesstaaten um das lokale Bild (Eugene) im nationalen Kontext zu erklären.
Gumbhir zeigt auf, dass solche und ähnliche Geschichten über besonders brutale polizeiliche Maßnahmen durch Medienberichterstattungen in das öffentliche Bewusstsein gerückt sind. Aber die überwiegende Anzahl ähnlicher Vorfälle und Beschwerden geschehen täglich und regelmäßig. Die Minderheiten in den ganzen USA beschuldigen Ordnungs- und Sicherheitsbehörden auf allen Ebenen, dass Beamt_innen gezielt Minderheiten kontrollieren. Sie werden mit falschen oder geringfügigen Begründungen angehalten, wegen ihrer angeblichen Beteiligung am Drogenhandel befragt und ohne ausreichenden oder begründeten Tatverdacht durchsucht. Viele Betroffene klagten gegen die Polizei und Sicherheitsbehörden wegen Bürgerrechtsverletzungen; viele dieser Klagen wurden allerdings – wie im Falle Gainers – abgewiesen.
Vom Einzelfall zur Struktur
Die Opfer of Color fassen rassistische Kontrollen und brutale Misshandlungen durch Polizei und Justiz als Rassismus auf. Politiker_innen, leitende Polizist_innen und Unterstützungsgruppen der Polizei leugnen dies stets, auch wenn empirische Beweise und Einzelberichte ein grassierendes Bild der rassistischen und ethnischen Diskriminierung darstellen. Auch wenn die Vorwürfe eine Vielzahl von polizeilichem Fehlverhalten umfassen, ist rassistische Polizeipraxis insbesondere unter dem Begriff „Racial Profiling“ bekannt. Die Verleugnungsstrategie der Politik, der Behörden, der Justiz und auch der Gerichtsbarkeit, die allesamt institutionellen Rassismus nicht anerkennen, brachte mehr Empörung und Widerstand in der rassialisierten und ethnisierten Bevölkerung. Nachdem Gainer Klage gegen die Polizei von Eugene wegen rassistischen Verdächtigungen erhob, meinte er sehr treffend, dass seine und andere ähnliche Situationen aufgrund der „Rasse“ geschehen sind und dass es Zeit für die Menschen ist, sich damit zu konfrontieren.
Aufgrund Gainers und ähnlicher Beschwerden, initiierte das Eugene Police Department eine Datenerhebung über Stop-and-Search-Maßnahmen der Polizei. So sollte herausgefunden werden, welche Unterschiede zwischen den rassialisierten beziehungsweise ethnisierten Gruppen liegen, die von Stop-and-Search-Maßnahmen betroffen sind. Basierend auf den Empfehlungen des US-Justizministeriums zur Bekämpfung von Racial Profiling aus dem Jahr 2000, stellte die Polizei von Eugene eine Projektgruppe mit Mitgliedern aus der Community, Aktivist_innen, Jurist_innen, Kriminolog_innen und Behördenvertreter_innen zusammen.
Die von Gumbhir kompakt aufgezeigte Geschichte des Racial Profilings zeigt uns deutlich das Verständnis der rassistischen Diskriminierung durch die Polizei. Ende der 1980er und Anfang 1990er Jahre brachten Beschwerden von Bürger_innen, juristische Aktionen, empirische Studien und einige bekannt gewordene Fälle rassistische Polizeipraxen in den Vordergrund. Polizeibehörden wurde im ganzen Land vorgeworfen, dass sie folgende Formen der rassistischen Diskriminierung praktizieren: Die Polizei kontrolliere Minderheiten mit einem bestimmten Ziel, würde außerdem Konfrontationen mit Minderheiten wegen geringen Anlässen und Verdachtsfällen initiieren. Autofahrer_innen würden vor allem kontrolliert, wenn sie sichtbar einer Minderheit angehören würden und Polizist_innen würden besonders gegen Minderheiten harte und gewalttätige Maßnahmen ansetzen.
Obwohl von Anfang an in der modernen Polizeistruktur der USA rassistische Diskriminierung angelegt ist, gibt es in Bezug auf die Arbeit der US Drogenbekämpfungsbehörde spezifische Vorwürfe für die Anwendung des „Criminal Profiling“. Es gibt konkrete Hinweise, etwa durch Richtlinien, dass etwa das Florida Department of Highway Safety and Motor Vehicles ihren Polizeibeamt_innen Weisungen erteilt hat, dass gezielt Schwarze und Latino Autofahrer_innen wegen Drogenschmuggel verdächtigt und kontrolliert werden sollen. Unmittelbar daraus entstand aus dem Begriff „Criminal Profiling“ der Begriff des „Racial Profiling“. Dieser beschreibt, dass die Vorstellung von „Rassen“ handlungsleitend bei der Polizeipraxis ist, beziehungsweise dass Polizeiarbeit auf rassistischen Vorurteilen basiert. Geht man mehr in die Tiefe des Begriffs, werden allerdings große Meinungsverschiedenheiten bei Wissenschftler_innen, Aktivist_innen, der Polizeiführung und Community Leaders deutlich.
Fehlleistungen Einzelner oder institutionell verankert?
Die Definition von Racial Profiling können wir in zwei unterschiedliche Stränge aufteilen. Ein Strang sieht Racial Profiling im Eindringen rassistischer Vorurteile in Entscheidungsfindungsprozesse einzelner Polizist_innen begründet. Der andere Strang fokussiert hingegen nicht einzelne Polizist_innen, sondern die gesellschaftlich überzogene Betonung von „Rassen“. Trotz der Unterschiede haben beide Definitionen eine wichtige Gemeinsamkeit. Nach beiden Strängen wird anerkannt, dass das polizeiliche Vorgehen rassistische Ungleichheiten beinhaltet. Bei beiden Strängen werden allerdings die institutionellen Aspekte vernachlässigt, indem Institutionen zwar teilweise als Komplizen angesehen werden, sehr selten aber als Verursacher. Es wird sich also bei der Thematisierung von Racial Profiling vor allem auf die politische Umsetzung der Polizeiarbeit konzentriert. Daraus entstanden ist auch die Idee, dass durch interkulturelle Kompetenz oder durch eine multiethnische und –religiöse Einstellungspraxis der Polizeireviere das Problem des Racial Profiling zumindest gemildert werden würde.
Gumbhirs zentrales Argument ist, dass die Grundlage der Praxis des Racial Profiling in der rassialisierten und ethnisierten Verdachtskonstruktion besteht. Um Racial Profiling definieren, theoretisieren und untersuchen zu können, müsse daher die Rolle von „Rasse“ in der sozialen Konstruktion des Verdachts – anders gesagt, die symbolische Dimension des Verdachts – betrachtet werden. Gumbhir schlägt vor, dass nicht weiter versucht werden sollte, die Gedanken einzelner Polizist_innen lesen zu wollen, sondern den Blick lieber auf die Muster der Polizeipraxen zu richten. Auf dieser Überlegung basiert die umfassende Studie über Racial Profiling in Eugene. Daraus abgeleitet bietet Gumbhir eine Definition des Phänomens des Racial Profiling an. Aus Criminal wird Racial Profiling, wenn die vermeintliche „Rasse“ (oder „Ethnie“) eine zentrale Rolle bei der Entscheidungsfindung einzelner Polizist_innen spielt. „Rasse“ muss nicht der einzige Grund für einen Verdacht und für eine Kontrolle sein, sie muss allerdings einer der Hauptgründe sein.
Es ist noch viel mehr Arbeit notwendig, um das Phänomen des Racial Profiling empirisch und theoretisch zu fassen. So ist es etwa notwendig, die Forschungen zu der Rassialisierung des Verdachts und der symbolischen Verdächtigen zu vertiefen. Eine Vielzahl institutioneller Rahmenbedingungen beeinflussen die Entscheidungen der Polizeibeamt_innen, wann, wo und wie sie die Ordnungs- und Sicherheitsgesetze durchsetzen. Die Auswirkungen des institutionellen Rahmens auf Racial Profiling werden allerdings in der Mehrheit der Studien und Forschungen ignoriert. In der Regel wird sich auf die Theorie Bad Apple konzentriert. Demnach sei rassistische Polizeipraxis in individuellen Fehlleistungen einzelner Polizist_innen begründet. Die Praxis des polizeilichen Beschwerdemanagements zeigt übrigens, wie wenig die Behörden selbst an der Bad Apple-Theorie festhalten: Nur sehr selten werden Disziplinarmaßnahmen gegen Beamt_innen angewendet. Wenn wir fern von der individualisierenden und somit entpolitisierenden Bad Apple-Theorie Rassismus bei der Polizei begreifen wollen, benötigen wir ein klares Verständnis von Rassismus. Rassismus sollte nicht synonym als Vorurteil verstanden werden, umso besser, dass Gumbhir sich auf eine weitaus politischere Definition von Rassismus beruft. Er versteht mit Beverly Daniel Tatum Rassismus folgendermaßen: Rassismus ist, wie andere Formen der Unterdrückung, keine persönliche Ideologie, die auf rassistische Vorurteile basiert, sondern Rassismus beinhaltet kulturelle Botschaften, institutionelle Grundsätze und Praxen. Rassismus ist gleichzeitig Glauben und Handeln der Individuen.
But is it Racial Profiling?. Policing, Pretext Stops, and the Color of Suspicion.
LFB Scholarly Publishing LLC, New York.
ISBN: 978-1-59332-214-4.
278 Seiten. 75,00 Euro.