Profit over People - War against People
- Buchautor_innen
- Noam Chomsky
- Buchtitel
- Profit over People - War against People
- Buchuntertitel
- Neoliberalismus und globale Weltordnung, Menschenrechte und Schurkenstaaten
Eine scharfsichtige Kritik an der Logik des freien Marktes - und eine Abrechnung mit dem Bellizismus westlicher Staaten.
Der inzwischen 73-jährige Professor am Massachusetts Institute of Technology, Noam Chomsky, seit Jahrzehnten politischer Aktivist aus dem libertären Spektrum, hat im Piper Verlag sein Buch „Profit over People“ als Taschenbuch herausgegeben - in einem Band zusammen mit „War against People“. Es handelt sich ohne Zweifel um eine Ausnahmeerscheinung in einer Reihe kaum mehr zu überblickenden Veröffentlichungen zum Thema „Neoliberalismus und globale Weltordnung“, so der Untertitel der deutschsprachigen Erstauflage von 2000. Chomsky zeichnet klar und verständlich die Linie amerikanischer Außenpolitik seit dem „Konsens von Washington“ des IWF und der Weltbank Ende der siebziger Jahre nach. Schuldenkrise und strukturelle Anpassungsprogramme mit einschneidenden Maßnahmen für die Unterklassen vieler Länder der „Dritten Welt“ waren das Ergebnis, aber eben auch einschneidende Veränderungen in den Metropolen: „Prominente Wirtschaftswissenschaftler wiesen schon vor 20 Jahren darauf hin, dass dieser Prozess zu einem verlangsamten Wirtschaftswachstum mit Niedriglöhnen führen würde und schlugen sehr einfache Maßnahmen vor, um diesen Konsequenzen vorzubeugen. Aber die hauptsächlichen Architekten der Politik setzten auf die vorhersehbaren Folgen, zu denen auch sehr hohe Profite gehörten.“
Beim Neoliberalismus handelt es sich also keinesfalls um eine neue Lehre - es sind die alten kapitalistischen Prinzipien des Freihandels, die unter modifizierten Bedingungen und unter Mithilfe und Verfügbarmachung der supranationalen Organisationen zur Anwendung kommen. Chomsky erläutert diesen Gedanken mit einer Attacke gegen die Kuba-Politik der USA. Er zitiert einen mexikanischen Diplomaten der Kennedy-Ära: „Mexiko könne da nicht mitmachen, denn wenn wir öffentlich erklären, dass Kuba unsere Sicherheit bedroht, lachen sich 40 Millionen Mexikaner tot.“
Chomsky stellt für seine Untersuchung eine einfache Frage und versucht Antworten darauf zu finden: Welche Länder entwickeln sich und welche nicht? Kann aus dieser Erkenntnis ein immer gleichlaufendes Handlungsmuster der imperialistischen Entwicklung abgeleitet werden?
„Großbritannien wandte sich schließlich dem liberalen Internationalismus zu - allerdings erst 1846. Zuvor hatten Protektionismus, Gewalt und staatliche Machtausübung 150 Jahre lang dafür gesorgt, dass die Konkurrenten auf der Strecke blieben. Aber auch danach wurde Handelsliberalismus nur mit erheblichen Einschränkungen praktiziert. 40 Prozent der britischen Textilwaren gingen weiterhin ins kolonisierte Indien, und das gilt auch für den übrigen Export. Britischer Stahl wurde durch hohe Einfuhrzölle vom US-amerikanische Markt ferngehalten, so dass die USA ihre eigene Stahlindustrie entwickeln konnten...“. Jedoch bereits ein Jahrhundert zuvor produzierte Indien ebenso viel Eisen wie ganz Europa, und britische Ingenieure studierten vor Ort die fortschrittlicheren Techniken der Stahlproduktion. Der Kolonialismus zerstörte schließlich diese Sektoren der indischen Wirtschaft, wie sie es schon mit der Textilindustrie, dem Schiffsbau und anderen Wirtschaftszweigen getan hatten. Entwicklung und Unterentwicklung sind also von der Frage von Macht und Marktbeeinflussung nicht zu trennen. Und es sind gerade die „real existierenden Abweichungen“ von der Freihandelstheorie, wie zum Beispiel die öffentliche und staatliche Subventionierung der Wirtschaft, die diese am Leben halten. Ein (moralisch) armer Kapitalismus am Tropf des Staates und der Gesellschaft. Dies gilt gerade auch, wie Chomsky mit eindrucksvollen Beispielen nachweist, für die Vereinigten Staaten von Amerika unter der Regierung Clintons. Vor allem die Rüstungsindustrie kommt in den Genuss solcher Gelder.
Wie global ist nun aber der Neoliberalismus wirklich? Im Hinblick auf Handelsbeziehungen, finanzielle Transaktionen und andere Maßstäbe ist die Wirtschaft nicht globaler als zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wie man mit Metaphysik und dem Besetzen und Umdeuten der Begriffe das öffentliche Bewusstsein reglementiert - der Linguist Chomsky erklärt es mit einfachen, eindrucksvollen Worten. Die US-Bewegung gegen den WTO-Gipfel 1999 in Seattle wie auch die Bewegungen der französischen und internationalen NGOs haben Noam Chomsky und seiner Art, nicht nur als Wissenschaftler, sondern auch als betroffener Mensch zu handeln, viel zu verdanken. Nur zögerlich und ohne Interesse der Medien werden seine Werke auch in Deutschland übersetzt. Er hat darüber hinaus zahlreiche Tondokumente und Videos veröffentlicht, darunter eine eindrucksvolle Diskussion mit dem späten Michel Foucault. Gut zu wissen, dass im Herzen der Bestie ihre schärfsten Kritiker agieren!
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Die Rezension erschien zuerst im September 2006 auf stattweb.de (Update: kritisch-lesen.de, hsc, 01/2011)
Profit over People - War against People. Neoliberalismus und globale Weltordnung, Menschenrechte und Schurkenstaaten.
Piper Verlag, München.
ISBN: 978-3-492-24652-1.
320 Seiten. 9,95 Euro.