Kommunismen (im Plural)
- Buchautor_innen
- Slavoj Žižek, Costas Douzinas
- Buchtitel
- Die Idee des Kommunismus I
Der Sammelband zeigt auf, wie es gerade um kommunistische Theorie und Praxis steht.
Im März 2009 fand am Birbeck Institute for the Humanities in London eine Konferenz zur Neubegründung des Kommunismus statt − geladen hatte Slavoj Žižek. Gemeinsam mit Costas Douzinas brachte er nun den ersten Band der Konferenzbeiträge heraus, in dem Beiträge unter anderem von Jacques Rancière, Gianni Vattimo, Judith Balso, Antonio Negri, Jean-Luc Nancy, Susan Buck Morss und Michael Hardt versammelt sind..
Den Auftakt gibt Alain Badiou, ein französischer Philosoph und ehemaliger Schüler von Louis Althusser, der in seinen Schriften die Bedeutung des Ereignis formuliert hat. Er wiederholt hier, allerdings in sehr gedrängter Form, die Notwendigkeit, der Idee des Kommunismus ein neues Leben zu geben. Beispiele seien, darauf weist er in einer Anmerkung hin, neben der zapatistischen Bewegung in Mexiko, die Maoisten in Nepal, die Solidarnosc-Bewegung in Polen 1980-81, die Organisation Politique in Frankreich sowie die ersten Abschnitte der iranischen Revolution. Diese Liste habe nicht den Anspruch vollständig zu sein, enthält aber auch so genug Sprengstoff für die Diskussion.
Gleich der nächste Beitrag von Judith Balso, geht auf die problematische Vernähung von Politik und Philosophie ein, welche Althusser vorgenommen habe, insbesondere am Beispiel der französischen Kommunistischen Partei und Stalin. Bruno Bosteels schlägt anschließend in einem bemerkenswerten Aufsatz vor, die linksradikale Hypothese genauer zu untersuchen, die gleichwohl eine Verinnerlichung der Niederlage in sich trage, dennoch oder gerade deswegen, immer noch attraktiv sei. Er macht auch auf das theoretische Werk des bolivianischen Vizepräsidenten Álvaro Garcia Linera aufmerksam, einer der großen Theoretiker unserer Zeit. Dieser sei es auch, der in seinen Schriften auf das Plebejische als Bestandteil der Klassenzusammensetzung aufmerksam macht, welche er als „bunt gemischt“ umschreibt und damit den Theorien von Michael Hardt und Antonio Negri sehr nahe komme.
Susan Buck Morss geht ähnlich vor, allerdings versucht sie die messianische Kraft in den Arbeiten von Malcom X bis zu neueren Marxisten wie Ali Schari’ati aufzuspüren. Fast alle Autoren_innen sind hierzulande leider kaum bekannt. Sie möchte die „schwache messianische Kraft“ unserer Generation stärken, womit sie bestimmten linksradikalen Bewegungen in den USA und Südamerika sehr entgegen kommen dürfte. Terry Eagleton macht in seinem sehr schönen Beitrag, „Kommunismus: Lear oder Gonzalo?“ klar, dass die Idee des Kommunismus sehr alt sei und bereits bei Shakespeare anzutreffen ist, was auch schon Derrida festgestellt hatte. Eine späte Annäherung, aber immerhin eine gelungene.
Antonio Negri fasst seine eigene Interpretation des Marxismus noch einmal zusammen. Er betont hier, im Gegensatz zu seinen früheren Schriften, die Notwendigkeit der Organisation, wobei er offen lässt wie eine solche aussehen könnte. Jacques Rancière, der im Beitrag von Bruno Bosteels ziemlich direkt auf seinen Disput mit Foucault aus den 1970er Jahre angesprochen wurde, möchte über diese alten Animositäten nicht mehr sprechen (er hat es bereits in: „Chronik der Konsensgesellschaft“, 2011). Stattdessen untersucht er, warum die alten kommunistischen Gemeinschaften in den USA, zum Beispiel die ikarische Kolonie von Cabet, scheitern mussten und spielt damit unverhohlen auf die alte libertäre Differenz zu Partei und Staat an. Der Philosoph ist aber weise genug zu betonen, dass kommunistische Momente höhere Formen von Organisation aufweisen, „als die Routine der Bürokratie“ (S. 212). Nur wenige Autor_innen bewegen sich kontrovers zu den meisten der Vortragenden. Ein Beispiel: Alessandro Russo mit seiner Hypothese, dass die chinesische Kulturrevolution (1966- 1969) den Kommunismus beendet hätte. Mao hatte damals dazu aufgerufen „tausend Blumen blühen“ zu lassen und das bürgerliche „Hauptquartier [in der KP, Anm. A.Q.] zu bombardieren“.
Slavoj Žižek argumentiert in seinem Beitrag erstaunlich sachlich, in dem er erklärt, „wie man vom Anfang beginnt“. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten verzichtet er vollständig auf polemische Seitenhiebe, was die Ernsthaftigkeit seines Anliegens nur unterstreicht. Er möchte zu einem populären Voluntarismus zurückkehren, immer wieder von vorne beginnen, und Anfänge seien immer das Schwierigste.
Man mag nun einwenden, dass die Vorgehensweise der Autor_innen (und hier ist nur eine Auswahl erwähnt) eine besonders elegante Art sei, dem Thema auszuweichen, wenn man damit vertraut ist, dass diese an anderer Stelle oft genug darum bemüht waren, sich voneinander abzugrenzen. Einen ausgezeichneten Überblick über den (Zu)Stand der Theorie liefert der Band auf jeden Fall. Ob sich daraus praktische Konsequenzen ergeben, wird sich zeigen.
Die Idee des Kommunismus I.
Laika Verlag, Hamburg.
ISBN: 978-3-942281-28-7.
280 Seiten. 24,00 Euro.