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Feindbild Feminismus

Ein magentafarbenes Cover auf das am rechten Rand ein rotes Quadrat mit dem
Titel in weißer Schrift aufgesetzt ist. Die Wörter "Angst" sowie "stellung"
sind hervorgehoben.
Buchautor_innen
Rebekka Blum
Buchtitel
Angst um die Vormachtstellung
Buchuntertitel
Zum Begriff und zur Geschichte des deutschen Antifeminismus
Antifeminismus ist ein zentrales Motiv konservativer bis rechter Politik. Aber was ist darunter eigentlich genau zu verstehen?

Antifeminismus ist ein verdachtserregend selbsterklärender Begriff. Na klar: antifeministisch ist, was sich gegen Feminismus oder feministische Positionen richtet. Aber da Feminismus selbst schon eine Bezeichnung vielseitiger, teilweise sehr unterschiedlicher Strömungen ist, die sich in ihren Ansichten alles andere als einig sind, kann nicht ganz einfach auf deren Gegenteil geschlossen werden um zu verstehen, was ein antifeministisches Weltbild ausmacht.

Rebekka Blum widmet sich in „Angst um die Vormachtstellung” den verschiedenen Aspekten des Antifeminismus: AkteurInnen und Strömungen, Diskursstrategien, zeitlichen Phasen seiner starken öffentlichen Präsenz und auch Erklärungsansätzen für seinen Erfolg. Blums Arbeit greift hierzu eine Vielzahl von Untersuchungen zu Antifeminismus auf, von denen die meisten eine klare Definition des Begriffs bisher auslassen. Mit der anfänglichen begrifflichen Einschränkung von Antifeminismus als einer Position, von der aus „keine inhaltlich-kritische Auseinandersetzung mit Feminismus stattfindet und eine pauschale Homogenisierung vorgenommen wird, mit dem Ziel diesen abzuwehren” (S. 14), leitet sie aus der bestehenden Literatur zum Thema eine weiter reichende Definition ab. Diese soll zeigen, dass Antifeminismus zwar wandlungsfähig und vielseitig ist, sich über seine mehr als hundertjährige Geschichte hinweg aber auf einige zentrale Motive reduzieren lässt.

Rückzugskämpfe oder Angriff?

Betrachtet man die Errungenschaften der Frauenbewegungen in Deutschland, kann Antifeminismus wie der verzweifelte Versuch Ewiggestriger wirken, die Zeit zurückzudrehen. Und so ganz fern vom Selbstverständnis einiger antifeministischer Positionen scheint diese Einschätzung auch nicht zu liegen. Etwa im Fall der maskulinistischen Strömung, die Blum neben neoliberalen, konservativ bis reaktionären AutorInnen, christlich-fundamentalistischen und (extrem) rechten Figuren als wichtige Strömung des Antifeminismus ausmacht. Für Maskulinisten, wie sie sich beispielsweise bei WikiMANNia tummeln, seien oftmals „persönliche Erfahrungen wie Scheidungen mit anschließenden Sorgerechtsstreits” (S. 68) Auslöser ihres Engagements, wobei sie sich Überzeugungen aneignen wie die, „dass Männer im Zuge eines Staatsfeminismus mittlerweile in der Arbeitswelt, der Bildung, im Gesundheitssektor und im Scheidungsrecht benachteiligt seien” (S. 87). Oft handelt es sich hierbei um gesellschaftliche Verlierer, deren ideologische Verbindungslinien zu gewaltverherrlichenden Strömungen wie etwa den Incels – einer ausgeprägt frauenverachtenden Internetsubkultur, die in den letzten Jahren bereits mehrere Männer zu Terroranschlägen inspiriert hat – dennoch nicht zu unterschätzen ist. Wer aber Antifeminismus als bloßen Rückzugskampf ehemaliger ProfiteurInnen des Patriarchats betrachtet, kann schnell das politische Potential antifeministischer Netzwerke übersehen.

Gerade im auflagenstarken Journalismus können antifeministische Positionen Erfolge verzeichnen. So erfuhr etwa der antifeministische Kampfbegriff „Political Correctness” in großen Zeitschriften wie dem Stern Aufwind mit der Diskussion um eine neue Gesetzgebung zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz in den 1990er Jahren. In der Tradition dieser Diskussionen verortet Blum auch Positionen, die das Feindbild Feminismus rhetorisch durch die Genderforschung und das Gender Mainstreaming (die Gleichsstellungsdirektive der EU) ersetzen und sich dabei auf einige feministische Errungenschaften berufen; mit dem Verweis, dass nun aber auch genug Gleichstellung erreicht sei. Insbesondere scheint in Debatten, die vor allem in Cicero, FAZ und Spiegel angestoßen wurden, die Vorstellung einer feministischen Übermacht durch, die mit „Gender Mainstreaming” eine Strategie der Umerziehung und die Abschaffung des biologischen Geschlechts anstrebt.

Keine Eintagsfliege

Blum zeigt, dass antifeministische Themen der Gegenwart sich in ähnlicher Form auch schon im Kaiserreich auffinden lassen. Sie weist inhaltliche Kontinuitäten zwischen dem historischen, insbesondere gegen das Frauenwahlrecht gerichteten, Antifeminismus und gegenwärtigem Antifeminismus mit Beginn der Political-Correctness-Debatte aus.

Eine Arbeitsmarktpolitik etwa, die früher durch Frauenarbeit an sich, heute durch Frauenquoten Männer verdränge, zeigt ein nur leicht verändertes Motiv. Auch Forderungen nach der Normierung von Geschlechterrollen bleiben zentral, sowie die Alleinstellung von Mutterschaft beziehungsweise Familie als einzig richtigem Lebensmodell – und damit eng verbunden eine Bevölkerungspolitik gegen Homosexualität und Schwangerschaftsabbrüche, die von ganz rechts auch mit der Angst vor einem „Volkstod” beschworen wird, für den FeministInnen verantwortlich gemacht werden. Die enge Verbindung zwischen Antifeminismus und verschwörungstheoretischem Denken ermöglicht einerseits den Anschluss antifeministischer Positionen an andere Verschwörungsideologien und kann andersherum als Deckmantel antisemitischer Codes herhalten, indem die Erzählung einer Weltverschwörung fürs Erste FeministInnen angedichtet wird.

Angesichts dieser wichtigen Bestandteile des historischen im gegenwärtigen deutschen Antifeminismus und seiner, gegenüber anderen oft von rechts besetzten Themen, relativen gesellschaftlichen Akzeptanz erscheint das Anliegen des Buchs sinnvoll, Antifeminismus als eigenständiges Phänomen zu erfassen und zu definieren.

Die Studie stützt sich weniger auf eigene Analysen antifeministischer Inhalte, sondern beschränkt sich bewusst darauf, bestehende Literatur auszuwerten, die sich ausdrücklich dem Thema widmet. Diese Einschränkung fällt beim modernen Antifeminismus auf, der erst ab 1990 diskutiert wird. Vor dieser Zeit sei der Begriff Antifeminismus kaum in Verwendung gewesen. Beim historischen Antifeminismus ist dagegen der große Einfluss Ute Planerts als Hauptquelle zum historischen Antifeminismus erkennbar. Hier hätte eine umfassendere Quellenlage Traditionslinien- und Brüche zwischen damals und heute vielleicht besser ausleuchten können.

Das Buch eignet sich als Einstiegstext in das Forschungsfeld Antifeminismus, da es sehr viele Studien zum Thema kompakt zusammenbringt. Neben dieser Systematisierung liefert es aber auch einen grundlegend neuen Definitionsvorschlag für den oft intuitiv gefassten Begriff und untermauert diesen mit Argumenten aus der bestehenden Forschungsliteratur, was auch für diejenigen interessant sein wird, die sich schon länger mit Antifeminismus befassen.

Rebekka Blum 2019:
Angst um die Vormachtstellung. Zum Begriff und zur Geschichte des deutschen Antifeminismus.
Marta Press, Hamburg.
ISBN: 978-3-944442-90-7.
140 Seiten. 18,00 Euro.
Zitathinweis: Emanuel Löffler: Feindbild Feminismus. Erschienen in: Vom Ende erzählen: Dystopien in der Gegenwartsliteratur. 52/ 2019. URL: https://kritisch-lesen.de/c/1566. Abgerufen am: 27. 04. 2024 10:03.

Zum Buch
Rebekka Blum 2019:
Angst um die Vormachtstellung. Zum Begriff und zur Geschichte des deutschen Antifeminismus.
Marta Press, Hamburg.
ISBN: 978-3-944442-90-7.
140 Seiten. 18,00 Euro.