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Die neue Dimension

Buchautor_innen
Medea Benjamin
Buchtitel
Drohnenkrieg
Buchuntertitel
Tod aus heiterem Himmel - Morden per Fernbedienung

Das Buch liefert präzise Einblicke in technische Entwicklungen und politische Legitimationen sowie Widerstand gegen den immer weiter verbreiteten Einsatz von Drohnen.

Was hat es mit dem Drohnenkrieg auf sich, welchen die USA vorläufig in Afghanistan und Pakistan unter der zweifelhaften Bezeichnung „Krieg gegen den Terror“ führen? Klar ist, dass das militärische Handeln der Vereinigten Staaten völkerrechtlich höchst umstritten ist. Und was könnte damit gemeint sein, wenn eine neue Studie des US-Verteidigungsministeriums zu dem Schluss gelangt, dass bis 2030 der Mensch das schwächste Kettenglied im Kriegseinsatz sein wird? Das neue Buch von Medea Benjamin, Aktivistin der Bay-Area in San Francisco, geht in ihrem sehr gut recherchierten Buch diesen und weiteren Fragen auf den Grund.

Im Mittelpunkt ihrer Untersuchung steht aber nicht so sehr eine genauere Klassifizierung der neueren Kriegsmetaphern, wie sie zum Beispiel Michael Hardt und Antonio Negri und andere vorgenommen haben, welche den Begriff der Biomacht von Michel Foucault auf die Form des Nation-Building in Ländern wie Iran oder Afghanistan ausweiten. Die Autorin hält sich schlicht an die Fakten der Drohnenprogramme, lässt BefürworterInnen, GegnerInnen und Betroffene (sie war selbst in Pakistan und hat mit Überlebenden und ZeugInnen von Drohnenangriffen gesprochen) zu Wort kommen und liefert gerade deshalb einen umfassenden Überblick. So räumte etwa die US-Luftwaffe 2009 ein, mehr als ein Drittel ihrer Predator Spionageflugkörper verloren zu haben, sie waren schlicht abgestürzt. Bis zum Juli 2012 waren 38 Predator und Reaper (ebenfalls Drohnenmodelle) bei Kampfeinsätzen in Afghanistan und im Irak verloren gegangen, neun weitere bei Trainingsoperationen in den USA abgestürzt. Keine gute Nachricht für den zivilen Flugverkehr angesichts der Tatsache, dass der Luftraum immer mehr mit Drohnen vollgestopft wird.

Ein Wachstumsmarkt, von welchem Unternehmen wie General Atomics in San Diego (sie liefert den Predator) bestens profitieren. Die Firma AeroVerone (die sich anfangs für Luftqualität interessierte, daher der Name) in Südkalifornien hat sich auf Minidrohnen spezialisiert und sich inzwischen den Auftrag für Switchblade (Klappmesser) gesichert, welche vielseitig einsetzbar sein sollen. Ihr Raven soll angeblich in einen Rucksack passen. Die Firma Raytheon liefert Drohnensoftware, stellt eine 250 Kilo-Bombe namens Paveway her und entwickelt gerade eine 50 Kilo-Rakete, welche Monsoon genannt wird und die von Lockheed Martin hergestellte Hellfire-Rakete verdrängen soll. Das in Chicago ansässige Unternehmen Boeing entwickelt gerade den Phanthom Ray, ein unbemanntes Flugschiff, das zwar so groß wie ein Kampfjet werden wird, sich aber weitgehend selbst steuern soll. Autonome unbemannte Drohnen, der Traum der Militärs! Diese können mit Hochleistungskameras, Wärmebildvorrichtungen, Autonummernschildlesern, Laserradar und eben Raketen ausgerüstet werden. Auf dem Luftwaffenstützpunkt Langley in Virginia verfolgen Soldaten die Live-Übertragungen von Drohnen, die über Afghanistan fliegen und die sie "Death TV" nennen. Dennoch gibt es hier Probleme, anscheinend denkt die Armee darüber nach, die Piloten am Bildschirm durch automatisierte, autonome Todesmaschinen zu ersetzten. Hier hätte gerne ein Bezug zu einem Film hergestellt werden können, um einfach etwas Abstand zum schwierigen Thema zu gewinnen. „Minority Report“ (USA 2002) etwa, eine düstere Zukunftsprognose über präventive Gewaltanwendung und künstliche Intelligenz zur Aufrechterhaltung staatlicher Ordnung. Benjamin verzichtet darauf, was aber keinesfalls gegen sie spricht.

Die Rechtsgrundlage für diese vielfältige Anwendung militärischer Gewalt liefert, was das amerikanische Recht betrifft, dass sogenannte AUMF (Authorization for Use of Military Force) von 2001, das der Kongress nur eine Woche nach dem 11. September 2001 verabschiedete. Dadurch wird der Präsident ermächtigt, „jede notwendige und geeignete Gewalt anzuwenden“, um die für Terroranschläge verantwortlichen Personen zu verfolgen. Etwa 4.000 Menschen sollen dabei nach einer Liste des Präsidenten der Vereinigten Staaten getötet worden sein. Ein eindeutiger Verstoß gegen das Völkerrecht, wie selbst Richard Perle vom Pentagon einräumte. Der Völkerrechtsexperte und damals Sonderberichterstatter der UNO, Philip Alston, stellte 2010 an der Universität New York fest: „Außerhalb des Kontext eines bewaffneten Konflikts ist es höchst unwahrscheinlich, dass der Einsatz von Drohnen für gezielte Tötungen jemals rechtmäßig sein könnte“ (S. 116).

Mittlerweile hat sich in den USA eine beeindruckende Antidrohnenbewegung gebildet, welche sich allerdings noch am Anfang befindet. Am 9. April 2009 drangen vierzehn AktivistInnen, darunter Priester und Nonnen, in den Luftwaffenstützpunkt Creech ein − von dem aus viele Killerdrohnen ferngesteuert werden − und protestierten gegen die Kriegsverbrechen, die ihrer Meinung nach auf dem Stützpunkt begangen wurden. Später erschienen mehr als dreihundert Personen der Upstate NY Coalition to Ground the Drones and End the Wars vor dem Stützpunkt der Nationalgarde in Syracuse, New York. 38 von ihnen wurden festgenommen und angeklagt. Im Prozess 2011 erklärte der als Zeuge geladene ehemalige Generalstaatsanwalt der USA, Ramsey Clark, dass die Vergehen, die die Angeklagten begangen haben sollen, nichts seien im Vergleich zu den Verbrechen, welche die Regierung unter Verletzung des amerikanischen Rechts und des Völkerrechts begingen. Die in England aktive Menschenrechtsvereinigung Reprieve strengt ein Gerichtsverfahren gegen einige europäische Regierungen wegen ihrer Beteiligung an Drohnenangriffen auf StaatsbürgerInnen ihrer Länder an, darunter Großbritannien, Deutschland, Belgien und Spanien. Es ist an dieser Stelle nicht der Raum, um die unzähligen Organisationen, AktivistInnen und Netzwerke aufzuzählen, die weltweit inzwischen aktiv sind. Die Autorin macht es umso ausführlicher, was Interessierte selbst nachlesen können.

Das Buch ist, abgesehen davon, dass man von den zahlreichen Fakten regelrecht erschlagen wird, sehr sachlich gehalten. Das Vorwort von Sebastian Range zieht eine Verbindung zu den deutschen Diskussionen zum Thema.

Medea Benjamin 2013:
Drohnenkrieg. Tod aus heiterem Himmel - Morden per Fernbedienung.
Laika, Hamburg.
ISBN: 978-3-944233-05-5.
208 Seiten. 19,00 Euro.
Zitathinweis: Adi Quarti: Die neue Dimension. Erschienen in: Deutschland im Krieg. 32/ 2014. URL: https://kritisch-lesen.de/s/PB2Tt. Abgerufen am: 07. 12. 2024 09:43.

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Medea Benjamin 2013:
Drohnenkrieg. Tod aus heiterem Himmel - Morden per Fernbedienung.
Laika, Hamburg.
ISBN: 978-3-944233-05-5.
208 Seiten. 19,00 Euro.