Dem Schwur von Buchenwald verpflichtet
- Buchautor_innen
- Ulrich Schneider
- Buchtitel
- Antifaschismus
Der Historiker, Lehrer und Bundessprecher der VVN-BdA zeichnet die Geschichte des Begriffs „Antifaschismus“ von der Weimarer Republik bis heute nach.
Das handliche und übersichtliche rote Bändchen beschäftigt sich insbesondere mit der Frage, was unter „Antifaschismus“ zu verstehen ist, wie sich der Antifaschismus-Begriff entwickelt hat und welche Präzisierungen für das heutige Verständnis notwendig sind. Dafür historisiert Ulrich Schneider die Thematik, indem er die Geschichte des Begriffs von 1923 (in diesem Jahr organisierte die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) den ersten „Tag des Antifaschismus“) in der Weimarer Republik bis in die Gegenwart hinein darlegt. Er betont gleich zu Beginn, dass der Begriff des Antifaschismus nicht von dem des Faschismus zu trennen sei, und beruft sich auf die Analysen der marxistischen Faschismus- und Arbeiterbewegungsforscher Reinhard Kühnl und Wolfgang Abendroth. Beide verstanden den Faschismus als Form bürgerlicher Herrschaft, setzten sich mit den Funktionen des Faschismus auseinander und fragten nach den ökonomischen Grundlagen und Eigentumsverhältnissen der kapitalistischen Gesellschaft. Damit positioniert sich Schneider klar marxistisch. Er betont, dass es sich bei diesem Begriff um einen ideologisch stark umkämpften handelt, der je nach Verwendung „zur Selbstbeschreibung oder politischen Abwertung eingesetzt“ (S. 9) werden kann. Schneider hebt hervor, dass „Antifaschismus“ nicht als starrer Begriff aufgefasst werden darf, sondern einem „dynamischen politischen Anpassungsprozess“ (S. 10) unterliegt. Er versteht darunter also keinen geschlossenen Begriff, sondern „den praktischen Ausdruck einer vielschichtigen politischen Bewegung“ (S. 11). Damit reicht er der Leserin und dem Leser in leicht verständlicher und klarer Sprache das Handwerkszeug an, mit dem nun im weiteren Verlauf gearbeitet und die Schwerpunktsetzung nachvollziehbar gemacht wird.
Das 132 Seiten umfassende Buch mit dem Titel „Antifaschismus“ ist in drei Teile gegliedert: Der erste befasst sich mit den historischen Erfahrungen und den antifaschistischen Strategien bis 1945. Darauf folgt das zweite Kapitel, das sich mit der Zeit zwischen dem Ende des zweiten Weltkriegs bis 1989 auseinandersetzt. Hier baut Schneider einen kurzen, aber sehr aufschlussreichen Exkurs zum Antifaschismus in der DDR ein, der mit vielen Mythen und Fehleinschätzungen aufräumt, ohne sich aber einer Kritik zu verweigern. Der dritte und letzte Teil beleuchtet die Entwicklung des Antifaschismus von 1990 bis heute und beinhaltet einen „Zukunftsentwurf“, der versucht, einige Grundprinzipien zu formulieren, die die Nazigegnerinnen und Nazigegner teilen sollten, um den Kampf gegen den „Nazismus mit seinen Wurzeln“ aufzunehmen. Diese Losung wurde schon im Schwur von Buchenwald als Zielstellung formuliert, mit dem die Einführung endet.
Der Faschismus an der Macht
Im ersten Teil befasst sich Schneider in erster Linie mit den Organisationen der Arbeiterbewegung und betont die klassenkämpferische Perspektive der antifaschistischen Kämpfe, die immer auch verbunden waren mit antikapitalistischen und antimilitaristischen Forderungen. Er hebt hervor, dass der antifaschistische Kampf damals „immer auch Kampf um die Verbesserung der Lebenssituation der Menschen war“ (S. 22), indem gegen Lohnkürzungen und andere Maßnahmen des Sozialabbaus vorgegangen wurde. Dabei vernachlässigt er auch nicht die internationale Dimension der Kommunistischen Internationalen, die den übergreifenden internationalen Kontext bildet, ohne den die Vorgänge kaum zu verstehen und richtig einzuordnen sind. Ihm geht es hier allerdings nicht um einen Gesamtüberblick, sondern „um konzeptionelle und programmatische Entwicklungen“ (S. 41). Er befasst sich trotz seiner Schwerpunktsetzung nicht einseitig ausschließlich mit der Sicht der KPD, sondern weist an mehreren Stellen darauf hin, dass auch in Bereichen außerhalb der Arbeiterbewegung Widerstandsaktionen entwickelt wurden. Auch auf Jugendwiderstand, Verweigerungen und Widerstand in den Reihen der Offiziere, die Arbeit in Kriegsgefangenenlagern in der Sowjetunion sowie Widerstandsaktionen in den Konzentrationslagern geht er ein.
Antifaschistischer Kampf im „Kalten Krieg“
Im zweiten Teil widmet Schneider sich den veränderten Bedingungen des antifaschistischen Kampfes durch den aufkommenden „Kalten Krieg“, der „Renazifizierung“ (S. 62) und der erneuten Verfolgung der Antifaschistinnen und Antifaschisten unter der Adenauer-Regierung. Hier liegt der Fokus ganz eindeutig auf der Geschichte der Vereinigten der Verfolgten des Naziregimes (VVN), wobei einige andere Aspekte ein wenig an den Rand gedrängt werden, etwa Rolle und Funktion des Antikommunismus. Nach dem ausführlichen historischen Teil, der sich in erster Linie mit der entscheidenden Rolle der KPD auseinandersetzt, wäre dies eine logische Schlussfolgerung gewesen.
Trotz der Fokussierung auf die VVN werden auch die Entstehung der autonomen Antifabewegung in den 1970er Jahren und das Aufkommen der „K-Gruppen“ erwähnt. Auffällig ist hierbei, dass der Autor, obwohl er sich eindeutig dem eher „traditionellen“ Antifaschismus in Form der VVN zuordnet, Verständnis für die autonomen Gruppen aufbringt und sie einer solidarischen Kritik unterzieht, ohne sie zu diffamieren. Er weist in diesem Zuge auf eine sich abzeichnende „Spaltung“ der Bewegung hin. Die Trennlinie verlief zwischen der VVN und den gewerkschaftlichen Kräften auf der einen Seite, die sich um demonstrative Aktionen ohne die direkte Konfrontation mit den Nazis der BRD bemühten. Und den autonomen Antifagruppen auf der anderen Seite, die die körperlichen Auseinandersetzungen nicht scheuten. Es konnte zwar weiterhin zusammengearbeitet werden, aber die daran anschließenden Analysen klafften immer weiter auseinander. Schulz schreibt: „So erfolgreich die gemeinsamen Aktionen waren, so unterschiedlich blieb jedoch die Analyse der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen“ (S. 80). Weiter zeichnet er nach, wie der Antifaschismus seine Rolle als „Nischenthema“ (S. 86) im Zuge der 1980er Jahre ablegen konnte, gleichzeitig aber zu einem umkämpften geschichtspolitischen Thema wurde, das in den sogenannten „Historikerstreit“ mündete und auch als Gegenstand der Systemkonkurrenz zwischen BRD und DDR instrumentalisiert wurde.
Die Zukunft des Antifaschismus
Im dritten Teil befasst sich Schneider mit der Zeit nach 1990 und beschreibt den Versuch der westdeutschen Historiker und Politiker, den Antifaschismus der DDR zu diffamieren und sich davon zu distanzieren. Außerdem geht er auf die Probleme der bundesweiten Bündnispolitik der autonomen Antifa ein, die immer wieder wegen inhaltlicher und ideologischer Differenzen scheiterte. Er zeigt, dass er sich differenziert mit den unterschiedlichen Strömungen des deutschen Antifaschismus auseinandergesetzt hat und trotz der Konzentration auf die Geschichte der KPD und der VVN auch die autonome Antifa-Szene im Blick hat. Die „Spaltung“ innerhalb des deutschen Antifaschismus bleibt weiterhin Thema, und es fällt auf, dass Schneider selbst für eine starke Zusammenarbeit zwischen allen Antifa-Gruppen plädiert: So betont er die „Schlagkraft der antifaschistischen Gemeinsamkeiten“ (S. 128).
Das Buch ist jeder und jedem zu empfehlen, der oder die sich einen kurzen und klar strukturierten Überblick über das Thema Antifaschismus verschaffen will und keine ausführliche theoretische Auseinandersetzung mit Einzelaspekten des Themenkreises verlangt. Es bietet einen soliden Überblick, wie es die PapyRossa-Basis-Reihe auch fordert. Der Nachteil daran ist zwar, dass die sehr großen Themengebiete nur angeschnitten werden können - hierfür kann der Autor allerdings nicht kritisiert werden, da das den Charakter der Reihe ausmacht. Man müsste das Büchlein jetzt um ein viertes Kapitel ergänzen, das sich mit der aktuellen Debatte zum Thema auseinandersetzt. Schneiders Einführung könnte dafür eine gute Grundlage bieten, um eine konsequent marxistische Sichtweise darauf darzustellen. Ebenso könnte diese Darstellung dabei Hilfestellung geben, dass bereits gemachte Fehler nicht wiederholt werden. Es wäre wünschenswert, dass neue Auseinandersetzungen mit Parteien wie der KPD auch in der jüngeren Generation angestoßen werden und die zu beobachtende Grundskepsis solchen Organisationen gegenüber weiter abgebaut werden kann. Ebenso macht das Büchlein klar, dass Themen wie Antimilitarismus und Antikapitalismus schon seit jeher Teil des antifaschistischen Kampfes waren und auch weiterhin sein müssen. Folgt man dieser Argumentation, müssen Kräfte, wie beispielsweise die sogenannten Antideutschen, die sich offen für Kriegseinsätze – etwa gegen den Iran – stark machen und damit offensichtlich nicht die gleichen Ziele verfolgen, auch offener kritisiert und im Zweifelsfall sogar ausgeschlossen werden. Pluralismus und breite Bündnisstrukturen sind notwendig und gut, aber das Ziel muss sein, gesellschaftlich wieder relevanter zu werden. Der Weg dorthin ist nur durch eine klare Positionierung möglich. Letzten Endes kann der antifaschistische Kampf nur eine breite gesellschaftliche Basis gewinnen, wenn er den Kampf gegen den Faschismus mit dem Kampf für die Interessen der großen Mehrheit der Menschen verbindet – sich also auf einen Klassenstandpunkt stellt und aufzeigt, dass der Faschismus in seinem Kern nie etwas anderes war als eine Herrschaftsform des Kapitals.
Antifaschismus.
Papy Rossa Verlag, Köln.
ISBN: 978-3-89438-543-9.
135 Seiten. 9,90 Euro.