Klassenkampf gegen Sarrazin
- Buchautor_innen
- Sascha Stanicic
- Buchtitel
- Anti-Sarrazin
- Buchuntertitel
- Argumente gegen Rassismus, Islamfeindlichkeit und Sozialdarwinismus
Publizistisch gegen Sarrazin und seine rassistischen Thesen vorzugehen, ist etwas, was glücklicherweise vermehrt von emanzipatorischer Seite getan wird. Man kriegt aber nicht immer, was einem der Buchumschlag verspricht.
Sascha Stanicic, Bundessprecher der trotzkistischen Organisation Sozialistische Alternative (SAV), hat sich den Titel für seine Publikation gegen Sarrazin und seine Thesen zugelegt: "Anti-Sarrazin". Der Untertitel verspricht „Argumente gegen Rassismus, Islamfeindlichkeit und Sozialdarwinismus“. Doch bereits nach wenigen Seiten wird klar, dass es hier nicht nur darum geht, Sarrazins Thesen zu problematisieren und/oder zu widerlegen. Es geht mindestens genau so sehr darum, die Themen, die Sarrazin von seiner reaktionären, elitären und rassistischen Warte aus darstellt, aus einer trotzkistischen Warte aus zu analysieren und dementsprechende Gegendarstellungen und Antworten zu bieten. Das ist legitim, wenn man voll und ganz einer bestimmten politischen Idee anhängt, aus Titel und Klappentext ist diese Herangehensweise aber nicht ersichtlich. „Argumente gegen Rassismus, Islamfeindlichkeit und Sozialdarwinismus und trotzkistische Gegenentwürfe“ hätte den Inhalt des Buches besser getroffen, hätte gleichzeitig aber vermutlich das Interesse von Nicht-TrotzkistInnen an der Publikation vehement geschmälert. Daher liegt der Verdacht nahe, dass einem beim Buchcover bewusst nicht reiner Wein eingeschränkt wird.
„Parallelgesellschaft der Superreichen“
Wie wirkt sich dieses ideologische Licht, in dem die Publikation steht, aber konkret auf das Geschriebene aus? Prinzipiell gilt festzuhalten, dass Stanicic nichts schreibt, dem man von antirassistischer Seite her fundamental widersprechen müsste und es ist prinzipiell zu begrüßen, wenn sich jemand die Mühe macht, sich mit Sarrazins Thesen genauer zu beschäftigen, um dem publizistisch etwas entgegenzusetzen. Das hat Stanicic gemacht und das muss zweifelsohne honoriert werden.
Das, was Stanicic zu den diversen Themen rund um die „Sarrazindebatte“ zu Papier bringt, ist nicht falsch, es ist stellenweise schlicht wenig in die Tiefe gehend, die Quantität oder Qualität der Quellen nicht immer befriedigend. Hinzu kommt, wie bereits erwähnt, dass seine Ausführungen einer ganz bestimmten ideologischen Ausrichtung folgen, die in Form von permanenter Klassenkampfrhetorik und marxistisch gefärbten Erklärungsmustern inhaltlich sehr dominant auftreten. So erinnert der Schreibstil des Buches stellenweise eher an ein kämpferisches Positionspapier als an eine sachlich-kritische Auseinandersetzung mit Sarrazin.
Der rote Faden der Argumentation, der sich durch das gesamte Buch zieht, ist daher auch wenig überraschend: Was Sarrazin im Interesse „seiner Klasse“ mittels seiner Thesen anstrebe, sei eine Spaltung der ArbeiterInnenklasse entlang religiöser oder nationaler Grenzen. Dem entgegen stellt Stanicic eine ArbeiterInnenklassensolidarität und den Klassenkampf, damit man die wahren Feinde, die erwartungsgemäß als „die VertreterInnen der Kapitalistenklasse“ (S. 27) benannt werden, bekämpfen könne. Getreu dieser Herangehensweise, schreibt Stanicic zum Beispiel zum Thema der „Parallelgesellschaften“ dann folglich, dass „die Bildung von ‚Parallelgesellschaften’ (…) vielmehr zwischen den sozialen Klassen“ (S. 56) stattfände, dass die „Reichen und Superreichen zweifelsohne eine ‚Parallelgesellschaft’“ (S. 57) bildeten und führt – reichlich plakativ – weiter aus:
„Während deutsche Arbeiter morgens um sechs Uhr bei Daimler neben ihren türkischen Kollegen am Fließband stehen, albanische und deutsche SchülerInnen ab acht die Schulbank drücken und die polnisch-deutsche Friseurin zwei Stunden später gemeinsam mit ihrer arabischen Auszubildenden den Friseursalon öffnet, liegen diese Damen und Herren [die „Reichen und Superreichen“, S.K.] noch im Bett und lassen hoch bezahlte Manager mit ihren Millionen spekulieren.“ (S. 57)
Hier fehlt dann eigentlich nur noch Schnurrbart, dicker Bauch, Monokel, Anzug, Zigarre und Zylinderhut. Aber Spaß beiseite: Es ist prinzipiell zu begrüßen, hier zu versuchen einen Schritt weiter zu gehen und auch die privilegierte Position, aus der Sarrazin spricht, in die Analyse mit einzubeziehen (etwas, was ohnehin im Diskurs der Mainstreammedien kaum vorkommt). Stanicics Versuch dies zu tun missglückt jedoch zumeist, bleibt auf einer eben angeführten Ebene hängen und ist von einer fundierten Analyse dieser Art leider weit entfernt.
Positionspapier mit richtiger Intention
Auch die Beschaffenheit und der Umfang der Bibliografie lässt darauf schließen, dass es im Buch inhaltlich eher um eine Positionierung der SAV geht als um eine umfassende, von einer allgemein antirassistischen Position aus verfassten Abhandlung zum Thema. Diese ist bei dem knapp 170 Seiten dicken Buch nämlich lediglich eine Seite lang und selbst in dieser findet man noch häufig Titel wie „Sozialismus und Religion“ von Lenin, „Wie wird der Nationalismus geschlagen“ von Trotzki, „Trotzki als Alternative“ von Ernest Mandel, „Das Kapital“ oder das „Manifest der Kommunistischen Partei“.
„Anti-Sarrazin“ kann also am ehesten als ein SAV-Positionspapier verstanden werden, bei der Sarrazin häufig lediglich als Stichwortgeber fungiert. Die Intention, die hinter dem Buch steht, ist aber eine richtige, die man nur unterstützen kann, denn prinzipiell gilt: Sarrazin und seinen Thesen in verschiedenster Art und Weise entgegenzutreten, ist mehr als notwendig. Wer also einen trotzkistischen Gegenentwurf zu Sarrazin sucht, wird dem Buch durchaus etwas abgewinnen können. Wer eine allgemeine, kritische Auseinandersetzung mit Sarrazin und seinen Thesen ohne marxistisch/trotzkistisch dominierte Gegenstrategien und thematische Exkurse ebensolcher Art sucht, wird mit diesem Buch weniger Freude haben.
Anti-Sarrazin. Argumente gegen Rassismus, Islamfeindlichkeit und Sozialdarwinismus.
PapyRossa Verlag, Köln.
ISBN: 978-3-89438-477-7.
168 Seiten. 11,90 Euro.