Antifa – Ein Teil der Lösung?
- Buchautor_innen
- Bernd Langer
- Buchtitel
- Antifaschistische Aktion
- Buchuntertitel
- Geschichte einer linksradikalen Bewegung
Ein langjähriger Aktivist der autonomen Antifa skizziert mit Hilfe von zahlreichen Fotos und zeitgenössischen Plakaten die Geschichte „der“ Antifaschistischen Aktion.
„Antifa heißt...“ – ja, was eigentlich? Dieser Frage versucht Bernd Langer, selbst aktiver Antifaschist seit Ende der 1970er-Jahre, langjähriges Mitglied der Autonomen Antifa (M) und Mitbegründer der kulturpolitischen Initiative Kunst und Kampf (KuK), in seinem neuen Buch auf 266 Seiten nachzugehen. „Antifaschistische Aktion. Geschichte einer linksradikalen Bewegung“ ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil konzentriert sich auf die Entwicklung der kommunistischen und sozialistischen Kräfte in der Weimarer Republik, also auf die historische Antifaschistische Aktion, im zweiten Teil widmet Langer sich der antifaschistischen Bewegung in der Bundesrepublik nach 1945. Der Schwerpunkt liegt hierbei – sicherlich hauptsächlich biografisch begründet – auf der Bewegung der Autonomen in den 1980er- und 1990er-Jahren, als Antifaschismus „zur dominierenden Tendenz in der linksradikalen Szene“ (S. 13) wurde. Langer gibt hierbei äußerst subjektive, aber dennoch ausführliche Einblicke in damalige Debatten, Aktionen und zentrale Konflikte.
Die historische Antifaschistische Aktion
Die Situation der Arbeiterklasse nach Ende des Ersten Weltkrieges war desaströs. Bittere Armut, Arbeitszwang und Unterdrückung bestimmten ihr Leben. Auch die Novemberrevolution von 1918 brachte nicht die gewünschten Verbesserungen. „Der Hunger blieb und es gab keine Arbeit mehr, kein Geld, keine Perspektiven.“ (S. 15) Alle Versuche, sich zu erheben, wurden sofort vom Militär niedergeschlagen. Die Arbeiter_innen fühlten sich aufgrund ihrer nach wie vor misslichen Lage von der Sozialdemokratie zunehmend im Stich gelassen – mehr noch: verraten. Ihr Blick schweifte immer häufiger ins ferne Russland, wo Revolutionär_innen den Weg wiesen. Ihnen wurde immer deutlicher bewusst, dass sie vom Kapitalismus nichts zu erwarten hatten. 1921 hatten sie die nötige organisatorische Stärke erreicht und den Mut gefasst, einen bewaffneten Aufstand anzuzetteln. „Wie in Russland wollten sie die alte Welt aus den Angeln heben und eine klassenlose Gesellschaft errichten.“ (S. 16) Doch der Versuch scheiterte. Der Mitteldeutsche Aufstand – von der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) als „Märzaktion“ bezeichnet – wurde zerschlagen und stürzte die KPD in eine tiefe Krise. Im darauf folgenden Jahr beschloss der III. Weltkongress der Komintern eine neue Linie, die Einheitsfrontstrategie. Gleichzeitig kam der Begriff des „Antifaschismus“ als Abwehrkampf gegen die faschistischen italienischen Kampfbünde, die Fasci Italiani di Combattimento, auf. In Deutschland gab es zu dieser Zeit keine Organisation oder Partei, die sich selbst als faschistisch bezeichnet hätte. Dennoch führte die KPD schon damals den Antifaschismus als Kampfbegriff ins politische Vokabular ein. Langer nennt das polemisch. Aus damaliger Parteisicht waren alle faschistisch, die zur Stabilisierung des kapitalistischen Systems beitrugen. Allen voran die SPD.
Als Reaktion auf das Erstarken der so genannten nationalsozialistischen Bewegung in Deutschland gründete sich zunächst die „Eiserne Front“, welche sich zwar als „entschiedene Kraft zum Schutz der Republik“ (S. 67) darstellte, in der Realität aber vor allem auf öffentlichkeitswirksame Selbstdarstellung bedacht war und nicht auf konkrete Aktionen gegen die NSDAP. Die Kommunist_innen sahen diesen Entwicklungen nicht tatenlos zu, sondern riefen für den 10. Juli 1932 zum Reichseinheitskongress auf. Das war die Geburtsstunde der „Antifaschistischen Aktion“. Ihr Emblem: die Doppelfahnen im Kreis.
Antifaschismus heißt Antikapitalismus
Die Doppelfahnen im Kreis sind, wenn auch in abgewandelter und uminterpretierter Form, noch heute das Erkennungszeichen der antifaschistischen Bewegung. Nach wie vor ist – die adornitische Antifa einmal ausgenommen – Antifaschismus eine „grundsätzlich antikapitalistische Strategie“ (S. 11). Die wichtigste Zeit für die antifaschistische Bewegung in der BRD nach 1945 waren die 1980er Jahre. Damals entstand die erste bundesweite Antifa-Koordination. Dieser Zusammenschluss bildete die Grundlage für die Entstehung der Autonomen Antifa. Die autonomen Antifaschist_innen verstanden sich als Antiimperialist_innen. So war für sie der Kampf gegen den Faschismus immer gleichbedeutend mit dem Kampf gegen das imperialistische System. Gegen Ende der 1980er Jahre wuchs die Erkenntnis, dass es nicht genug sei, „auf die eigenen Kräfte zu vertrauen“ (S. 202). Man versuchte zunehmend, andere (gesellschaftspolitische) Akteur_innen über Bündnisarbeit für sich zu gewinnen. Auch die Arbeit mit migrantischen Gruppierungen wurde vor allem in Westberlin immer wichtiger. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Antifa-Gençlik (siehe dazu Rezension in dieser Ausgabe).
In den 1990er-Jahren wurde der Antifaschismus zu einem breitenwirksamen gesellschaftlichen Thema, auch für die linksradikale Bewegung – vor allem die so genannte linke Szene – war er von immer größerer Bedeutung. Heute stellt sich vor allem die Frage, wie es mit „der“ Antifa weitergehen soll. Nach der Auflösung zahlreicher größerer Gruppen wie der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) oder auch der Antifaschistischen Revolutionären Aktion Berlin (ARAB) wähnten viele die antifaschistische Bewegung in einer tiefen Krise. Das muss sie jedoch nicht sein, wenn sie sich auf ihre Tradition beruft und Antifaschismus weiterhin auch als Antikapitalismus begreift. Für Langer bleibt die Antifa nach wie vor „ein Teil der Lösung“ (S. 273).
Antifaschismus als Staatsdoktrin?
„Antifaschistische Aktion. Geschichte einer linksradikalen Bewegung“ bietet einen hervorragenden Überblick über die spezifische Situation der Antifa in Deutschland. Leider beschäftigt sich Langer nicht mit der Antifaschistischen Aktion in der DDR, sondern stempelt den dortigen Antifaschismus pauschal als Staatsdoktrin nach Lesart der Sowjetunion ab. Im Osten habe es weder eine außerparlamentarische Bewegung noch eine Antifaschistische Aktion gegeben. Auch wenn die Komitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer_innen kaum Gemeinsamkeiten mit der autonomen Szene in Westdeutschland gehabt haben dürften, sollte man deren Wirken nicht unterschätzen. Sie waren mehr als „völlig von der SED abhängig“ und hatten auch nicht nur „die Funktion, den staatlich verordneten Antifaschismus zu repräsentieren“ (S. 162). Dass diese Verbände mehr waren als Marionetten der SED, zeigte sich spätestens nach der Annexion der DDR, als viele Mitglieder ihre Arbeit in neu gegründeten Gruppen fortführten. Einige gründeten den Interessenverband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener, IVVdN, der später mit der VVN-BdA fusionierte. Außerdem existierten in der DDR unabhängige Antifagruppen, die sich zeitgleich mit der Autonomen Antifa in Westdeutschland im Schutz von Kirchen gründeten.
Langer bietet einen sehr detaillierten Blick über die Geschichte „der“ Antifa. Leider bleibt er dabei sehr deskriptiv und lässt sich nicht wirklich auf einen wissenschaftlichen Zugang zum Thema – geschweige denn den Versuch einer Faschismusanalyse – ein. Vielmehr fasst er historische Fakten zusammen und garniert sie mit privaten Fotos und persönlichen Heldengeschichten aus der guten alten Zeit in Göttingen, als man als Antifaschist_in der Staatsmacht in Ausrüstungsfragen noch nicht so stark unterlegen war und Motorradhelme auf autonomen Demos ein Standard waren. Allgemein hätte ein bisschen mehr Kritik und ein bisschen weniger Pathos dem Buch gut getan. Lesenswert und unterhaltsam ist es dennoch geworden.
Antifaschistische Aktion. Geschichte einer linksradikalen Bewegung. 2. Auflage.
Unrast Verlag, Münster.
ISBN: 978-3-89771-581-3.
280 Seiten. 16,00 Euro.