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Notizen aus der Redaktion

Migrantische Arbeit

Z - Zeitschrift marxistische Erneuerung Nr. 105, März 2016: Kapitalismus und Migration. 226 Seiten, 10 Euro.

Vermehrt betonen Linke den ökonomischen Hintergrund, vor dem sich die „Flüchtlingsdebatte“ abspielt. Nicht immer ist das sinnvoll, wie die jüngsten Einlassungen von Sahra Wagenknecht zu dem Thema zeigen. Nicht nur ihr sei das aktuelle Heft der Zeitschrift für marxistische Erneuerung empfohlen. Die Bandbreite der neun Beiträge zum Schwerpunkt „Kapitalismus und Migration“ ist beachtlich: Es geht um Fluchtursachen, die jüngsten Asylrechtverschärfungen, die Arbeit der Gewerkschaften, Globalisierung und Neoliberalismus. Der bereits 2009 erschienene und jetzt erstmals in deutscher Fassung vorliegende Beitrag von Jane Hardy zeigt zudem anhand der Beispiele USA und Großbritannien fundiert den Einfluss von Migration auf den Arbeitsmarkt auf: ein Zusammenhang, der keineswegs nur aus Perspektive der Kapitalseite betrachtet werden sollte. Zwar spiele migrantische Arbeit sowohl als „industrielle Reservearmee“ eine Rolle als auch als Mittel, um die Ausbeutungsrate zu erhöhen. Doch Hardy richtet sich gegen einen rein objektivierenden Blick: Migrantische Arbeiter_innen fänden sich bei Streiks, Gewerkschaftsgründungen und politischer Aktivität häufig in der ersten Reihe. Außerhalb des Schwerpunkts fällt besonders der Beitrag von Karin Fischer und Rudy Weissenbacher positiv auf, die präzise die wichtigsten Ansätze des Theorems vom ungleichen Tausch rekonstruieren. Es bleibt zu hoffen, dass die lesenswerte Ausgabe Eingang in aktuelle linke Debatten in Deutschland findet. (S. F.)

Ein Roman wie ein Fiebertraum

Sascha Macht: Der Krieg im Garten des Königs der Toten. DuMont 2016, 272 S., 19,99 Euro.

Zugegeben: Etwas schwindlig fühlt man sich durchaus nach den 270 Seiten von Sascha Machts Debütroman. Das macht aber nix. Am besten erst mal sacken lassen. Und dann das Ganze noch mal lesen. Denn mit „Der Krieg im Garten des Königs der Toten“ haben wir es mit einem ziemlich ungewöhnlichen und originellen Beitrag zur deutschen Gegenwartsliteratur zu tun. Erzählt wird die Geschichte von Bruno Hidalgo, dessen Hippie-Eltern sich einen Tag vor seinem Geburtstag aus dem Staub gemacht und den 17-Jährigen nicht nur seinem Faible für miese Horrorstreifen, sondern auch den revolutionären Umbrüchen in seiner Heimat überlassen haben. Bruno wohnt auf einer Aussteiger-Insel „an einem vergessenen Ende der Welt“, die in den 1940er Jahren durch Erdbeben infolge von Atomwaffentests des US-amerikanischen Militärs entstanden ist. Erschütternd, verstörend und, ja, auch ein bisschen verstrahlt, geht es auch im Roman zu. Denn auf seiner Reise zu den „Republikanischen Filmfestspielen“ der Insel begegnet der pubertierende Film-Nerd nicht nur allerlei merkwürdigen Gestalten (etwa einem kränklichen Deutschen, nur „der Preuße“ genannt, dem Kommandanten X Wohlff, der einst Filme wie „Der terroristische Mond“ drehte und nun für die Revolution kämpft, oder dem rätselhaften El Corazón, den Bruno nicht so einfach loswird, wie er es schnell möchte), auch verstrickt Bruno sich immer mehr in seine überhitzten Horrorfantasien. Erwachsenwerden als anarchistisches Chaos, Coming of age als Horrortrip, Jugend als einsames Partisanentum – so kann man den Roman gewiss lesen. Dabei besticht der Text weniger durch ausgeklügelte Figurenpsychologien oder einen stringenten roten Faden als vielmehr durch die düsteren, fantastischen Bilder, die er auf der inneren Leinwand der Leser_innen entstehen lässt. Story, Figuren, Setting: „Der Krieg im Garten des Königs der Toten“ liest sich wie die Ausgeburt eines schrillen Fiebertraums, bei dem Absurdität zum Programm und Prosa zum Verstörungsgenerator wird. (S. B.)

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Von
Redaktion
Veröffentlicht am
05. Juli 2016
Erschienen in
Ausgabe 40, „Die da unten” vom 05. Juli 2016