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Wir suchen wieder Rezensent*innen
Ausgabe #62: Klimakatastrophe: Nur mal kurz die Welt retten?

Klima dies, Klima das. Alle politischen Lager nehmen sich mittlerweile des Themas an, ob auf internationaler Ebene oder national – aktuell gut sichtbar im Bundestagswahlkampf. Seit der Klimaleugner Donald Trump nicht mehr im Amt ist („Das Klima ist eine Erfindung aus China!“), reiht sich auch die USA wieder unter denjenigen ein, die sich mit großem rhetorischem Gebaren für Klimaschutz und ein gemeinschaftliches Vorgehen der „internationalen Wertegemeinschaft“ einsetzen.

Die Realität sieht weiterhin anders aus: Die ohnehin nicht sonderlich ambitionierten und eher investitionsstrategisch motivierten Klimaziele werden seit Jahren verfehlt und immer wieder neu angepasst, auf nationaler wie internationaler Ebene scheitert ein Klimaabkommen nach dem anderen. Just nach der Flutkatastrophe, die diesen Sommer viele Menschenleben kostete, vermeldete das Bundesumweltministerium, die Klimaziele für 2030, 2040 und die Klimaneutralität seien nach aktuellen Einschätzungen nicht zu erreichen. Und der im August 2021 erschienene IPCC-Klimabericht macht deutlich, mit welchen Szenarien wir es in Zukunft zu tun haben werden, allen halbherzigen Versuchen zum Trotz.

Dabei sind die Auswirkungen des so genannten Klimawandels längst nicht mehr abstrakte Schreckgespenster. Weltweit steigt der Meeresspiegel, Gletscher schmelzen, extreme Wetterlagen wie Dürre und Fluten nehmen zu, Hitzeperioden belasten Natur und Mensch, Regenwälder werden irreparabel zerstört, das Ökosystem verliert sein Gleichgewicht. Die Lebensgrundlage vieler Menschen im globalen Süden wird zerstört, aber auch die Auswirkungen innerhalb der kapitalistischen Zentren lassen sich – trotz entschlossener Versuche – kaum noch leugnen und zeigen sich immer offensichtlicher.

Dass sich das Problem nicht in die Peripherie verlagern lässt, führt jedoch nicht dazu, der Klimakrise energisch entgegenzutreten. Vielmehr wird bereitwillig geglaubt, ein „grüner Kapitalismus“ könne eine Lösung bieten. Klimaschutz verbindet sich vorzüglich konsumorientiert mit bürgerlichem Lifestyle, individualisierend mit neoliberalen Mindsets und funktional mit kapitalistischer Suche nach neuen Verwertungsfeldern. Er bleibt Kosmetik und kratzt allenfalls an der Oberfläche des Systems. Nicht in den Blick genommen werden strukturelle Zusammenhänge, soziale Ungleichheiten und vor allem die Bedürfnisse des Kapitals, sich gerade in krisenhaften Zeiten beständig verwerten zu müssen.

Dabei trifft auch die Klimakrise diejenigen am härtesten, die am wenigsten zu ihr beitragen. Während sich Reiche in ihren klimatisierten SUVs bewegen und ihren Tätigkeiten in wohltemperierten Büros und Appartements nachgehen, verlieren andernorts Menschen ihre Lebensgrundlage. Die Zerstörung der Umwelt im globalen Süden für die Kapitalakkumulation auf Kosten der dort lebenden Bevölkerung zeigt die Verschränkung der Klimafrage mit sozialen Belangen und die gesellschaftlichen Widersprüche besonders drastisch. Im systemimmanenten Zwang nach neuen Verwertungsmöglichkeiten kann auf Bedürfnisse von Menschen ebenso wenig Rücksicht genommen werden wie auf solche der Natur.

Doch der Widerstand wird sichtbarer: Fridays for future ist heute die größte soziale Bewegung der Welt, in Deutschland führen Aktivist*innen Waldbesetzungen durch, die Zapatistas aus Mexiko erhalten über ihre lokalen Kämpfe hinaus international Aufmerksamkeit. Angesichts eines bürgerlichen Klimaschutzes kann es aus einer radikal linken Perspektive nicht mehr allein um Sensibilisierung gehen, es braucht eine der Realität entsprechende Dramatisierung der Situation und eine Radikalisierung in der inhaltlichen Auseinandersetzung.

Wir fragen: Wie müssen linke, antikapitalistische, revolutionäre Positionen zur Klimakrise aussehen, gerade auch in Abgrenzung zum bürgerlichen Umweltschutz? Welche Verschränkungen von Klasse und Klimawandel sind auszumachen? Was bedeutet Klimawandel für globale Armut und die Lebenssituation der unteren Klassen? Welche Möglichkeiten bieten die aktivistischen Gruppierungen lokal wie global, den Kampf gegen Klimawandel nicht mit, sondern gegen die herrschenden Klassen zu führen? Wie kann der Kampf gegen Klimawandel mit anderen Befreiungskämpfen verbunden werden?

Für die Januar 2022-Ausgabe von kritisch-lesen.de suchen wir Menschen, die Bücher, Broschüren, Sammelbände und Literatur zum Thema für Menschen jeden Alters besprechen möchten. Es sind sowohl Rezensionen aktueller und älterer Publikationen willkommen als auch Hinweise für interessante Publikationen, die in unserer Liste fehlen!

Zudem suchen wir Rezensent*innen für aktuelle Neuerscheinungen in anderen Themengebieten. Auch Romane und Kinderbücher sind immer gern gesehen! Wenn ihr Interesse oder weitere Ideen habt, dann schickt eure Vorschläge bitte mit einer kurzen Begründung eures Interesses und ein paar Worten zu euch selbst bis zum 26. September 2021 an redaktion@kritisch-lesen.de oder an eines der Redaktionsmitglieder.

Wir entscheiden nach Eingang der Vorschläge, welche Rezensionen wir gerne in der Ausgabe hätten und melden uns dann bei euch. Der Einsendeschluss der fertigen Rezensionen ist der 05. November 2021.

Literaturvorschläge:

Matthias Martin Becker: Klima, Chaos, Kapital - Was über den Kapitalismus wissen sollte, wer den Planeten retten will. Köln: PapyRossa 2021.

Sergen Canoğlu / Jürgen Ehlers / Yaak Pabst / Nina Papenfuß: Marxismus und die Klimakrise: Wie kann der Planet gerettet werden? Berlin: edition aurora 2019.

Noam Chomsky / Robert Pollin: Die Klimakrise und der Global Green New Deal – Die politische Ökonomie zur Rettung unseres Planeten. Münster: Unrast 2021.

Emma: Ein anderer Blick auf den Klimawandel. Münster: Unrast 2021.

Jonathan Franzen: Wann hören wir auf, uns etwas vorzumachen? Gestehen wir uns ein, dass wir die Klimakatastrophe nicht verhindern können. Hamburg: Rowohlt 2021.

Elisabeth Holzner: Anpassung an den Klimawandel in Chile – Eine historisch-materialistische Policy-Analyse der Umwelt- und Klimapolitik. Wien: Mandelbaum Verlag 2017.

Parag Khanna: Move – Das Zeitalter der Migration. Hamburg: Rowohlt 2021.

Naomi Klein: Die Entscheidung: Kapitalismus vs. Klima. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlage 2015.

Elizabeth Kolbert: Wir Klimawandler – Wie der Mensch die Natur der Zukunft erschafft. Berlin: Suhrkamp 2021.

Tomasz Konicz: Klimakiller Kapital - Wie ein Wirtschaftssystem unsere Lebensgrundlagen zerstört. Wien: Mandelbaum Verlag 2020.

Elias König: Klimagerechtigkeit – Warum wir eine sozial-ökologische Revolution brauchen. Münster: Unrast 2021.

Ernst Lohoff / Norbert Trenkle (Hrsg.): Shutdown - Klima, Corona und der notwendige Ausstieg aus dem Kapitalismus. Münster: Unrast 2020.

Andreas Malm: Klima|x. Berlin: Matthes & Seitz 2020.

Hanna Podding: Klimakämpfe - "Wir sind die fucking Zukunft". Münster: Unrast 2019.

Hanna Poddig / Christopher Leo: Kleine Geschichte der Umweltbewegungen – Von Radieschen und Revolutionen. Münster: Unrast 2020.

Wolfgang Pomrehn: Heiße Zeiten - Wie der Klimawandel gestoppt werden kann. Köln: PapyRossa 2007.

Milo Probst: Für einen Umweltschutz der 99%. Hamburg: Nautilus 2021.

PROKLA 2021: Green New Deal!? – Wie rot ist das neue Grün? Berlin: Bertz + Fischer 2021.

Stefan Rahmstorf / Hans Joachim Schellnhuber: Der Klimawandel – Diagnose, Prognose, Therapie. München: C.H. Beck 2019.

Toralf Staud / Nick Reimer: Deutschland 2050 – Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird. Köln: Kiepenheuer und Witsch 2021.